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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Urubko: Viel hängt von Wetter und Glück ab

Denis Urubko

Nicht nur der vormals französische Schauspieler Gerard Depardieu ist unlängst Russe geworden, auch Denis Urubko. Der 39-Jährige schreibt mir, dass er Kasachstan verlassen und nun einen russischen Pass habe. In diesem Frühjahr will Denis – zusammen mit seinem neuen Landsmann Alexei Bolotov – den Mount Everest über eine neue Route (seht hier) durch die Südwestwand besteigen. Urubko hat bereits alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Zusammen mit seinem Freund Simone Moro aus Italien glückten Denis zudem die ersten Winterbesteigungen des Makalu (2009) und des Gasherbrum II (2011). 2010 wurden Denis und der Kasache Boris Dedeshko mit dem Piolet d’Or, dem „Oscar“ des Bergsteigens, geehrt, für ihre neue Route durch die Südwand des Cho Oyu. Ich habe mich bei Urubko nach seinem neuen Everest-Projekt erkundigt. 

Denis, du kehrst zum Everest zurück, obwohl du ihn bereits im Jahr 2000 ohne Atemmaske bestiegen hast. Was hat dich dazu motiviert?

Aus vielen Gründen müssen Berge zweimal bestiegen werden. Die Erstbesteigungen erfolgen meistens auf die einfachste Art, wie du an der Geschichte der Achttausender sehen kannst. Am Everest geschah es 1953, am K 2 1954 … im damals üblichen Himalaya-Stil, mit Trägern et cetera. Aber die Zivilisation ermöglicht es uns, uns weiter zu entwickeln. Die Ausrüstung wird leichter und robuster. Lebensmittel und Kocher lassen uns einfacher überleben. Die folgenden Bergsteiger konnten Besseres leisten: neue Routen, Speed-Besteigungen, andere Projekte. Schritt für Schritt. Psychologische Grenzen wurden gesprengt. Zwei Beispiele dafür sind die Besteigungen von Messner und Habeler im Alpinstil am Hidden Peak und am Everest ohne Sauerstoff. Ich sehe das sportlich: Ich versuche, Ergebnisse abzuliefern, die im Vergleich zu anderen Leuten besser sind. Es ist eine intensive Entdeckung der eigenen Kraft und natürlich auch der Mentalität, eine neue Seite im Buch der Bergwelt aufzuschlagen, mit der Möglichkeit, etwas Neues zu wagen.

Du willst den Everest mit dem Russen Alexei Bolotov über eine neue Route besteigen. Verrätst du uns Details über Stil und Route?

Ja, wir wollen es zusammen versuchen. Alexei war begeistert von diesem Projekt und der Idee, eine neue Route an einer der schwierigsten Wände der Welt zu versuchen. Wir planen, durch die Mitte der Südwestwand zu klettern, und wir wollen es im Alpinstil versuchen. Aber viel hängt von Wetter und Glück ab.

Bist du schon einmal mit Alexei geklettert?

Wir sind uns erstmals 1995 begegnet, als er nach meinem Unfall im Tian-Shan-Gebirge zum Rettungsteam gehörte. Er brachte mich aus einer Höhe von 6000 Metern hinunter. 2000 nahmen wir beide an einem Speed-Bergsteiger-Wettbewerb am Khan Tengri teil, 2008 versuchten wir gemeinsam, leider erfolglos, den Spanier Iñaki Ochoa an der Annapurna zu retten. 2001 waren wir zusammen bei einer Expedition zum Lhotse. Wir haben schon einige gute Erfahrungen miteinander gemacht. Im vergangenen Monat kletterten Alexei und ich zum Training einige kurze Routen im Tian Shan. Das waren gute Tage. Wir hoffen, dass wir Ende März für den Himalaya bereit sind.

Dein Freund Simone Moro wird in diesem Frühjahr ebenfalls versuchen, den Gipfel des Mount Everest zu erreichen, über eine neue Route, mit dem Schweizer Bergsteiger Ueli Steck. Ist es für dich eine Option, beide Teams zusammenzuschließen?

Bisher gibt es keine entsprechenden Pläne. Aber das Leben hält bekanntlich viele Überraschungen bereit. Für mich war das vor einem Monat wirklich eine große Neuigkeit, dass Ueli und Simone planen, zusammen den Everest zu besteigen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Im nächsten Mai wird der 60. Geburtstag der Everest-Erstbesteigung gefeiert. Wie siehst du diesen Berg derzeit?

Für mich ist der Everest ganz einfach der höchste Berg der Welt. Alle anderen Dinge hängen von der persönlichen Sichtweise ab: Ein schöner, ein schwieriger, ein magischer Berg, das gilt für viele Berge. Aber der höchste ist allein der Everest.

Was wünschst du dem Mount Everest für die Zukunft?

Ich träume davon, den Everest von seinem Fuße aus durch ein Glas Wein zu sehen. Für mich macht es keinen Sinn, mir weniger Leute an seinen Hängen zu wünschen. Es ist genauso sinnlos, als erhoffte ich mir weniger Besucher des Eiffelturms. Aber natürlich wünsche ich mir weniger Leichen an den Hängen des Everest.

Im Juli feierst du deinen 40. Geburtstag. Ist das für dich ein Tag wie jeder andere oder doch ein Einschnitt?

Dieser Termin bedeutet gar nichts. Für mich zählt allein die Erfahrung, dass ich während vieler angenehmer und auch schwieriger Jahre Glück genießen durfte. Ich machte Entdeckungen, lieferte sportliche und künstlerische Leistungen ab … und ich hoffe, dass ich das auch in den nächsten interessanten Phasen tun kann: in den Bergen, in der Musik, beim Training, mit der Familie, beim Schreiben und anderen Aktivitäten. Das genügt mir.

Datum

18. März 2013 | 11:36

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