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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Oben abgekommen

Am Ende einer langen Reise

Der Stein von der tiefsten Stelle Deutschlands liegt jetzt auf der höchsten. Heute um 13.30 Uhr habe ich ihn am 2962 Meter hohen Gipfel der Zugspitze abgelegt – nachdem ich ihn ausschließlich mit fairen Mitteln, mit dem Fahrrad oder zu Fuß, quer durch Deutschland dorthin gebracht habe. Die Zugspitze hat  es uns nicht gerade leicht gemacht.

Reif für den Trockenraum

Regenwolken im Oberreintal

Als wir am Mittwoch vom Skisprung-Stadion Garmisch-Partenkirchen aufbrechen, gießt es in Strömen. Noch nie habe ich in der Partnachklamm so viel Wasser von den Felswänden rieseln sehen. Die erste unfreiwillige Dusche für mich und meine Begleiter. Das sind mein Sohn Jan und seine Freunde Felix und Justus. Als wir den weiten Weg ins Reintal hinein wandern, lässt der Regen vorübergehend ein wenig nach, doch es nieselt beständig weiter. Trotz wetterfester Bekleidung arbeitet sich die Nässe langsam nach innen durch. Als wir nach vierstündigem Aufstieg die Reintalangerhütte auf 1369 Metern erreichen, werden wir dort mit den Worten empfangen: „Ihr seht aus, als solltet ihr erst einmal in den Trockenraum gehen.“ Dort lassen wir die nassen Klamotten und Wanderschuhe zurück.

Ochsenblut

Matratzenlager

Das Matratzenlager in der 100 Jahre alten, urigen Hütte ist kaum belegt. Wir können uns ausbreiten. Außer uns übernachten hier noch etwa ein Dutzend Wanderer. Am Abend bestellen zwei Mainzer nach dem Essen „Ochsenblut“. Weder das Hüttenpersonal noch die anderen Gäste haben davon jemals gehört. “Das ist Rotwein mit Cola“, klären uns die beiden auf. Ein kollektiver Aufschrei des Abscheus hallt durch die Gaststube. „Das schmeckt wirklich gut“, beharren die Mainzer, die aber niemanden dazu bewegen können, davon zu kosten. Wir ziehen uns früh ins Lager zurück, um am Gipfeltag ausgeschlafen zu sein. Zwei Stunden später unterbrechen die Mainzer unsere Ruhe, indem sie die Beleuchtung einschalten und belustigt feststellen: „Ach, guck mal, da schlafen ja noch andere.“ Wieder einmal bestätigt sich eine alte Hüttenregel: Wenn du im Matratzenlager gut schlafen willst, musst du am meisten trinken und als letzter kommen.

Volle Konzentration

Gratwanderung

Um 6.30 Uhr werden wir mit einem schönen, auf einem Akkordeon gespielten Walzer und einem anschließenden Weckruf aus dem Schlaf geholt. Das hat Tradition in der Reintalangerhütte. Eine gute Stunde später treten wir ins Freie. Kaum zu glauben, aber der Himmel ist fast wolkenlos. Nach dem gestrigen Dauerregen hätten wir das kaum für möglich gehalten. Petrus meint es offenbar gut mit uns. 1600 Höhenmeter trennen uns noch vom Gipfel. Wir gewinnen an Höhe. Auf dem Zugspitzplatt sind fünf bis zehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Wir steigen auf einem weißen Teppich auf. Bald erscheint der Gipfel zum Greifen nah, doch noch wartet ein mit Drahtseilen gesicherter Steig auf uns. Und der hat es in sich. Die Sonne hat nämlich inzwischen dafür gesorgt, dass der Neuschnee zu schmelzen begonnen hat. Kleine Bäche ergießen sich über die Felsen. An anderen Stellen liegt noch Schneematsch auf den Tritten. Unsere ganze Konzentration ist gefordert. Ein Ausrutscher könnte fatale Folgen haben. Wir nehmen auch diese letzte Hürde und stehen plötzlich auf der Metalltreppe, die zum Zugspitzhaus führt. Ein fast absurdes Ende einer Bergtour.

Seid fair zum Berg!

Platz mit Aussicht

Dort oben tummeln sich wegen der heute fast perfekten Fernsicht von bis zu 150 Kilometern mehrere hundert Touristen. Fast alle sind mit Seil- oder Zahnradbahn auf Deutschlands höchsten Berg gekommen. Auf den eigentlich höchsten Punkt traut sich kaum jemand, weil die Stelle recht ausgesetzt ist. So stehen wir wenig später alleine unter dem vergoldeten Gipfelkreuz. Ich ziehe den den Stein aus der Tasche, der vor anderthalb Wochen noch an der tiefsten Stelle Deutschlands in Neuenfeld-Sachsenbande nahe Itzehoe gelegen hat. Ich suche einen schönen Platz für ihn aus, mit einem beeindruckenden Panorama rundherum – sieht man vom Zugspitzhaus und seiner Besucherterrasse ab.

Damit endet meine Aktion „Fair zum Berg“. Mein Anliegen aber bleibt bestehen: Seid bitte fair zu den Bergen! Tretet ihnen mit Respekt und Demut gegenüber! Und tut etwas für den Klimaschutz!

Datum

20. September 2012 | 18:33

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