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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Bitte etwas differenzierter!

Feier in Bhaktapur

Feier in Bhaktapur

Wann kann man nach einem Ausnahmezustand wieder von Normalität reden? Das hängt offenkundig von der Art der Wahrnehmung ab. Jetzt, sagt die Regierung Nepals. Noch lange nicht, suggerieren die meisten westlichen Regierungen über ihre Reisewarnungen.  „Nepal ist sicher, machen Sie sich keine Sorgen! Das ist heute unsere klare Botschaft“, verkündete Anfang der Woche Bhesh Narayan Dahal, Chef der Regierungsbehörde, die für die Erhaltung der Weltkulturerbe-Stätten Nepals zuständig ist. Mit einer Feier wurden Tempelanlagen in Kathmandu, Patan und Bhaktapur, die beim Erdbeben am 25. April schwer beschädigt worden waren, wieder für Besucher freigegeben. So ganz geheuer scheint das aber selbst der Regierung noch nicht zu sein. Für Besucher der Anlagen stehen jedenfalls Helme bereit. „Wir bitten die Menschen dringend, Urlaub in Nepal zu machen, um dem Land dabei zu helfen, wieder auf die Füße zu kommen“, sagte der neue Tourismusminister Kripa Sur Sherpa bei der Feier in Bhaktapur.

Katastrophe nach der Katastrophe

Auf der Annapurna-Runde

Auf der Annapurna-Runde

Das Land ist auf die Einnahmen aus dem Tourismus dringend angewiesen. Wenn er massiv einbricht, wäre das die Katastrophe nach der Katastrophe. Sie ist vermeidbar. Schließlich gibt es Trekkinggebiete in Nepal, die von dem Erdbeben kaum betroffen waren. Das gilt etwa für das Dolpo-Gebiet im Westen des Landes, für den überwiegenden Teil der Annapurna-Runde, das Kangchendzönga-Trekking oder auch die Route zum Everest-Basislager, die nach allem, was man hört, im Herbst wieder problemlos begehbar sein dürfte. Einzig die Trekkingrouten in den besonders hart getroffenen Regionen Langtang und Gorkha dürften vorerst aus dem Rennen sein.

Reisewarnungen kaum aktualisiert

Ein nach den verschiedenen Regionen Nepals differenziertes Bild der Lage sucht man auf den Internetseiten der meisten westlichen Regierungen vergeblich. So raten die Außenministerien der USA, Kanadas, Großbritanniens, Österreichs und Deutschlands weiterhin von nicht unbedingt nötigen Reisen nach Nepal ab. Und das teilweise schon seit Wochen in unveränderter Form. Die Reisewarnung der US-Regierung wurde zuletzt am 1. Mai aktualisiert, jene Österreichs am 7. Mai – und die Deutschlands am 26. Mai, also vor gut drei Wochen.

Ich habe beim Auswärtigen Amt nachgefragt, ob daran gedacht sei, eine differenziertere Beurteilung der Lage zu veröffentlichen und wenn ja, wann. Eine, wie ich fand, eigentlich klare Frage. Die Antwort fiel nicht gerade konkret aus. „Die Reise- und Sicherheitshinweise sowie gegebenenfalls Reisewarnungen (…) basieren auf allen dem Auswärtigen Amt verfügbaren und für vertrauenswürdig erachteten Informationen“, hieß es aus Berlin. Reisende sollten in die Lage versetzen werden, „eigenständig zu entscheiden, ob sie eine Reise unternehmen oder nicht. Das Auswärtige Amt überprüft die Reise- und Sicherheitshinweise, auch die für Nepal, regelmäßig. Aktuelle Ereignisse (…) werden unverzüglich berücksichtigt.“

Dominik Müller: „Kunden werden extrem verunsichert“

Trekkingroute zum Mount Everest

Trekkingroute zum Mount Everest

Wäre es wirklich so, dürften sich Lage und Kenntnisstand in Nepal in den vergangenen drei Wochen nicht oder nur wenig verändert haben. Dabei wird doch täglich klarer, welche Gebiete vor allem von den Erdstößen getroffen wurden und welche einigermaßen glimpflich davongekommen sind. Außerdem wird mit Hochdruck daran gearbeitet, Straßen und auch Trekkingpfade wieder instandzusetzen. „Es gibt in Nepal viele Regionen, die uneingeschränkt zu bereisen sind und in denen es so gut wie keine Beschädigungen gibt“, schreibt mir Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditions- und Trekkingveranstalters Amical alpin. „Durch solche pauschalen Reisewarnungen werden Kunden extrem verunsichert. Nepal, der Reisebranche und den Veranstaltern ist damit nicht geholfen. Mit Sicherheit wird jeder seriöse Veranstalter keine Kunden in gefährdete Gebiete senden, aber aus heutiger Sicht sind viele Teile Nepals gut, sicher und fast ohne Einschränkungen zu bereisen.“ So könnte Amical im Herbst alle vor dem Erdbeben angebotenen Trekkings und Expeditionen umsetzen – „soweit sich eben Kunden für eine Reise nach Nepal entscheiden.“

Datum

17. Juni 2015 | 14:15

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