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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Verschneiter Everest

Everest Nordwand (gestern)

Everest Nordwand (gestern)

Den Blick kenne ich. Doch wie anders sieht der Mount Everest jetzt im Herbst aus. Der Japaner Nobukazu Kuriki hat sein vorgeschobenes Basislager (ABC) genau dort aufgeschlagen, wo auch unsere Zelte standen. Im Frühjahr 2005 begleitete ich die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner, den Deutschen Ralf Dujmovits und den Japaner Hirotaka Takeuchi zur Everest-Nordwand und berichtete vom ABC aus 5500 Metern auf für DW Radio und im Internet über den Fortgang der Expedition.

Hirnödem überlebt

Nordwand (2005)

Nordwand (2005)

Ursprünglich hatte sich das Trio damals vorgenommen, über die so genannte „Supercouloir“-Route zum 8850 Meter hohen Gipfel zu klettern: im unteren Teil durch das „Japaner-Couloir“ (1980 von den Japanern Shigehiro und Ozaki erstmals durchstiegen), im oberen Teil der Wand durch das „Hornbein-Couloir“ (benannt nach dem US-Bergsteiger Hornbein, der sich 1963 mit seinem Landsmann Unsoeld auf rund 7600 Metern Höhe als Erster in die steile Nordwand wagte). Die Verhältnisse ließen es nicht zu, die drei Profibergsteiger wichen auf die Normalroute aus. Die Expedition scheiterte schließlich, weil sich Hiro auf über 7000 Metern ein Höhenhirnödem zuzog, das er mit Glück überlebte. 2012 sollte Takeuchi der erste Japaner werden, der alle 14 Achttausender bestieg.

Hohe Lawinengefahr

Im Frühjahr 2005 war die Wand deutlich weniger verschneit als jetzt. Nobukazu Kuriki hat angekündigt, er wolle versuchen, den Gipfel des Everest über das „Große Couloir“ erreichen, solo und ohne Flaschensauerstoff. Die Australier Tim Macartney-Snape und Greg Mortimer hatte die Route „White Limbo“ durch das Norton-Couloir im Herbst 1984 eröffnet, auch sie verzichteten auf Atemmasken. Damals war die Wand ebenfalls tief verschneit. Seitdem wurde die Route nie wiederholt.

Der 34 Jahre alte Japaner war bereits am Wandfuß und berichtete über hohe Lawinengefahr. Kuriki versucht sich – wie berichtet – bereits zum sechsten Mal in der Nachmonsun-Zeit am höchsten Berg der Erde, zum ersten Mal jedoch auf der Nordseite. In die Nordwand hatte er 2012 schon einmal hineingeschnuppert. Bei seinem gescheiterten Versuch über den Westgrat hatte er sich so schwere Erfrierungen zugezogen, dass neun Finger fast auf ganzer Länge hatten amputiert werden müssen.

Jornet: „Eine Menge Schnee“

Deutlich sparsamer als Kuriki informiert der Spanier Kilian Jornet die Öffentlichkeit über den Fortgang seiner Everest-Expedition, ebenfalls auf der Nordseite. „Wir akklimatisieren uns weiterhin“, twitterte der 28-Jährige vor knapp einer Woche. „Hier liegt eine Menge Schnee, aber alles ist okay.“ Seitdem herrscht Funkstille. Kilian will – wie ihr ebenfalls hier im Blog lesen konntet – im Eiltempo auf den Everest laufen: in einem Zug vom Kloster Rongbuk bis zum Gipfel, ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung. Gut möglich, dass sowohl Kuriki als auch Jornet im Schnee stecken bleiben. Vielleicht wühlen sie sich aber auch durch. Es bleibt spannend.

Datum

14. September 2016 | 20:15

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