Über Stock und Stein
Sind wir nur Sporttreibende oder vielleicht doch Getriebene? Thomas Frankenbach hat mich nachdenklich gemacht. Der Mann ist Leistungssportler – und ein Wissenschaftler, der sich mit Tiefenpsychologie beschäftigt. Seit 24 Jahren kämpft Frankenbach als Karateka, sein Geld verdient der 39-Jährige in einer Reha-Klinik in Bad Salzschlirf nahe Fulda. Durch eine kleine Meldung war ich auf sein Buch gestoßen, mit dem leicht sperrigen Titel „Warum Läufer beharrlich sind und Surfer das Leben genießen“. Die Zeitung mit den vier Buchstaben hatte daraus eine reißerische Online-Bildergalerie gemacht, mit – wie sich später (nicht gerade zu meiner Verwunderung) herausstellte – leicht unsauberen Zitaten. Ich wollte etwas genauer hinsehen, zumal Frankenbach sich auch den Bergsteigern und Kletterern widmet.
Flucht vor den Niederungen des Alltags?
„Bergsteiger scheuen (vielleicht auch in ihrem Alltag) nicht davor zurück, ihren Weg über Stock und Stein zu machen. Sie wählen gezielt den widerstandsreichen Weg gegen die Schwerkraft“, schreibt Frankenbach. „Auch aus psychologischer Sicht üben sie sich im Bewältigen von Höhen und Tiefen.“ Der Autor bescheinigt Bergsteigern ein „ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein“, kann sich aber auch vorstellen, der Sport könne für sie „ein symbolischer Versuch sein, den Niederungen des Alltags zu entkommen“.
Thomas Frankenbach über das Wesen des Bergsteigens
Durchblick macht unbeschwert
Eigentlich wollte ich Thomas Frankenbach fragen, ob er nicht die Gefahr sehe, dass nun alle Sportler, auch die Bergsteiger, in bestimmten Schubladen verschwänden. Doch offenbar ist die Botschaft seines gerade erst erschienenen Buches schon so oft in diese Richtung verkürzt worden, dass er gleich klarstellt: „Ich möchte keine Klischees aufstellen.“ Frankenbach will lediglich den Sportlern den Spiegel vorhalten, sie animieren, auch einmal darüber nachzudenken, warum sie ihren Sport treiben. „Je mehr Durchblick ein Mensch über sich hat, desto lebens- und ich-erfahrener wird er und desto unbeschwerter kann er durchs Leben gehen“, findet Frankenbach.
Auf die Mischung kommt es an
Er erklärt, dass Bergsteiger häufig nur auf den Gipfel, also zielfixiert seien. Deshalb – so Frankenbach – liefen sie möglicherweise Gefahr, vor lauter Gipfeldrang einen schönen Ausblick während des Aufstiegs gar nicht mehr wahrzunehmen. Ins Leben übersetzt: Wer nur an die Zukunft denkt, vernachlässigt gerne das Hier und Jetzt. Der Wissenschaftler rät den Bergsteigern, sich zu fragen: „Stimmt bei mir die Mischung?“
P.S. Was Thomas Frankenbach über andere Sportarten sagt, könnt ihr hier nachlesen und –hören.