Experiment geglückt, Patient lebt
Auch ich konnte mich dem Charme der Bilder nicht entziehen: der Astronauten-Mann in der Kapsel, der Blick in die und aus der Stratosphäre, der Absprung, der Körper als weißer Fleck, der in freiem Fall in atemberaubendem Tempo durch die Dunkelheit Richtung Erde rast, kurz beängstigend trudelt, sich dann aber wieder fängt, das erlösende Aufklappen des Fallschirms, schließlich die problemlose Landung. Keine Frage, die PR-Strategen des Getränke-Herstellers aus Österreich verstehen ihr Handwerk: Die Bilder waren spektakulär – und in kaum einer Einstellung fehlte das Logo des Hauptsponsors von Felix Baumgartner. Nur springen musste der Österreicher alleine, aus 39 Kilometern Höhe.
So gut wie live
Der 43-Jährige bewies großen Mut, denn ein Restrisiko blieb, das ihn womöglich auch sein Leben hätte kosten können. Wäre er im freien Fall zu sehr ins Trudeln gekommen und bewusstlos geworden, hätte das Projekt tragisch enden können. Aus diesem Grund zeigte der hauseigene Sender des Hauptsponsors den Sprung auch nur so gut wie live, nämlich mit 20-sekündiger Verspätung. Im Falle des bösen Falles hätte er dann noch schnell umschalten können, etwa auf das Standbild einer Getränkedose.
Doch Felix Baumgartner ist ein Profi, der auch schon mit dem Fallschirm in eine Höhle gesprungen ist – was nur unwesentlich gefahrloser gewesen sein dürfte. Er meisterte alle Herausforderungen und darf sich mit seiner Fallgeschwindigkeit von 1342 Stundenkilometern nun „der erste Überschallmensch“ nennen. Fall-ohne-Knall-Experiment (der Luftwiderstand war zu gering für einen Wumms beim Durchbrechen der Schallgrenze) geglückt, Patient lebt.
Mega-Event
Alles andere wäre rein PR-technisch auch als Schuss nach hinten losgegangen. Denn hier wurde ein Abenteuer nicht nur vollzogen, sondern auch inszeniert. Schon der Titel des Projekts verriet die Ambitionen: „Mission Stratos“, das klang nach Captain Kirk und Raumschiff Enterprise. Das Bodenpersonal hieß nicht umsonst „Mission Control“ und saß brav in Reihe am Schreibtisch, ganz so wie biedere NASA-Wissenschaftler bei Weltraumfahrten. Die Botschaft: Der Sprung hat eine ähnliche Dimension wie die erste Mondlandung. Dazu der immer wiederkehrende Kamerablick in die ängstlichen Gesichter der Angehörigen Baumgartners. Die stille Nachricht hier: Seht her, ein netter Mensch riskiert sein Leben zum Wohle der Menschheit!
Viel Geld, wofür?
Doch in erster Linie profitierte natürlich der Hauptsponsor, auf dessen Ticket der Abenteurer in die Stratosphäre schwebte. Die „Mission Strato“ war auch eine „Mission Brause“. Der Werbeeffekt für den Getränkekonzern dürfte die Kosten bei weitem übertroffen haben. Und die waren nicht von Pappe. Nach Schätzungen pumpte das Unternehmen (das sich auch ein Formel-1-Team leisten kann) in den vergangenen Jahren zwischen 25 und 50 Millionen Euro in den teuersten Sprung der Geschichte. Natürlich nicht, ohne ständig zu betonen, wie groß der wissenschaftliche Nutzen des Projekts sei. Darauf bin ich wirklich gespannt. Nicht dass uns wieder einer die Teflon-Pfanne als Abfallprodukt der Raumfahrt verkaufen will!
P.S. Ich wette, dass die Nachfrage nach Fallschirmsprüngen aus großer Höhe bei den einschlägigen „Erlebnis“-Veranstaltern in nächster Zeit rasant steigen wird.
P.P.S. Die Discount-Variante des Rekordsprungs findet ihr hier.