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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Nie ohne Seil aufs Eis

Erst anseilen, dann losstapfen

Die längste Seilschaft der Welt. Das ist das Ziel einer Aktion am Großglockner, die, wenn alles klappt, im Guinness-Buch der Rekorde landen wird. Auf dem Ködnitzkees, dem auf der Kalser Seite gelegenen Gletscher unterhalb des höchsten Gipfels Österreichs, werden Mitglieder der Osttiroler Bergrettung am Samstag um 14 Uhr so viele Menschen wie möglich aneinander seilen. Jeder kann mitmachen, vorausgesetzt er trägt vernünftige Bergschuhe und einen Klettergurt mit Karabiner. Ein Notar wird im Auftrag der Guinness-Buch-Rekordwächter die Teilnehmer zählen. Anschließend ist noch eine Performance des Künstlers Dieter Remler geplant, die unter dem Motto steht: „Frei wie ein Adler mit dem Verstand eines Menschen.“ Die Aktion ist nur eine von mehreren an diesem Wochenende in Osttirol, das ganz im Zeichen der Sicherheit am Berg steht. Ich habe Kontakt zu Peter Ladstätter aufgenommen, dem Bezirksleiter der Bergrettung Osttirol. Er hat die Aktion auf dem Ködnitzkees organisiert.

Peter, worauf wollt ihr mit der geplanten längsten Seilschaft der Welt hinweisen?

Die Kernbotschaft, die wir hier transportieren möchten, lautet: Es muss Standard sein, Gletscher nur angeseilt zu betreten oder angeseilt zu überqueren. Viele wissen leider nicht, dass Gletschereis immer in Bewegung ist und daher auch die Spalten wandern“. Immer wieder kommt es zu Spaltenstürzen, die nur angeseilt glimpflich – meist sogar unverletzt – enden. Ein tödlich geendeter Spaltensturz aus dem letzten Jahr hat uns auf die Idee gebracht, in dieser Richtung eine präventive Aktion zu setzen, um die Bergsteiger noch mehr für alpine Gefahren zu sensibilisieren. Übrigens ist meiner Meinung nach nicht der Berg gefährlich, sondern der Mensch, der Sicherheitsstandards zu wenig bis gar nicht berücksichtigt.

Beobachtet ihr als Bergretter vermehrt eine „Seilmüdigkeit“, die zu eigentlich vermeidbaren Unfällen führt?

Hier soll sich die Rekord-Seilschaft bilden

Es geht nicht alleine um die Bergrettung, sondern um alle alpinkompetenten Organisationen, die hier ihre Möglichkeiten (Netzwerke und Know-how) nützen müssen, um möglichst alle Bergsteiger und Wanderer zu erreichen. 83 Bergtote alleine in Tirol (Anm. inklusive Südtirol) in diesem Jahr sprechen wohl eine deutliche Sprache. Die Technik und die Ausrüstung haben in den letzten Jahren Riesenfortschritte gemacht und ermöglichen uns, weit über unsere persönlichen Leistungsgrenzen hinauszugehen. Wenn Ausrüstung, Technik und Wissen richtig aufeinander abgestimmt sind, steht einem wunderbaren, aber vor allem sicheren Bergerlebnis nichts mehr im Weg.

Es gibt auch tödliche Abstürze ganzer Seilschaften (wie unlängst am Langkofel im Grödner Tal), deren Ausmaß geringer wäre, wenn nicht angeseilt worden wäre. Wann soll man anseilen, wann nicht?

Tödliche Abstürze ganzer Seilschaften sind die absolute Ausnahme und haben meist andere Fehlerquellen wie z. B. Überschreitung einer Wechte oder Auslösen eines Schneebretts nach Neuschnee. Wir dürfen hier nicht den Fehler machen zu glauben, dass jeder Unfall vermeidbar ist. Es wird nach wie vor tödlich endende Bergunfälle geben, nur müssen wir alles daran setzen, die Bergsteiger und Wanderer bestmöglich zu informieren und für alpine Gefahren zu sensibilisieren. Es freut mich persönlich sehr zu beobachten, dass es wieder mehr Menschen in die Natur zieht, um dort Kraft zu tanken. „Menschen, die die Berge lieben, widerspiegeln Sonnenlicht, jene die im Tal geblieben, kennen ihre Sprache nicht.“

P.S. Wenn ihr hier klickt, findet ihr das Wochenend-Programms zur Sicherheit am Berg. Veranstalter sind neben dem Aktionskünstler Dieter Remler und der Bergrettung Tirol auch die Osttiroler Bergführer, die Alpinpolizei und das Alpinkompetenzzentrum Osttirol.

 

Datum

12. September 2013 | 11:24

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