PR mit Permit
Die Verzweiflung in Nepal muss groß sein. Anders ist nicht zu erklären, dass die Regierung in Kathmandu dieser Tage eine Pressekonferenz einberufen hat, nur um ein Permit für eine Expedition zu übergeben. Aus der Hand von Tourismusminister Kripasur Sherpa erhielt der Japaner Nobukazu Kuriki die schriftliche Erlaubnis, in diesem Herbst den Mount Everest zu besteigen. „Kuriki geht in einer Zeit bergsteigen, in der es in der Welt Verwirrung über die Sicherheit des Landes nach dem Erdbeben gibt“, sagte der Minister. „Er gibt ein Beispiel dafür ab, das Land wieder zu besuchen.“ Ins gleiche Horn stieß auch der 33 Jahre alte japanische Bergsteiger: „Ich besteige den Berg, um Nepal in dieser schwierigen Zeit beizustehen und die Botschaft zu verbreiten, dass das Land für Touristen sicher ist.“
Kuriki will – wie berichtet – versuchen, den Everest über die nepalesische Seite zu besteigen, nachdem die chinesischen Behörden allen Expeditionen in Tibet die kalte Schulter gezeigt hat. Heute ist Kuriki von Kathmandu aus ins Khumbu-Gebiet geflogen, um sich dort zu akklimatisieren. Bei seinem letzten Versuch, den Everest im Herbst zu besteigen, hatte sich der Japaner 2012 schwere Erfrierungen zugezogen, neun Fingern hatten amputiert werden müssen. Wie damals will Kuriki auch diesmal alleine und ohne Flaschensauerstoff aufsteigen. Die „Icefall doctors“ präparieren für ihn den Weg durch den Khumbu-Eisfall.
Eine Handvoll Expeditionen
Die PR-Offensive der nepalesischen Regierung hat nichts damit zu tun, dass sie Kurikis Versuch angesichts seiner Vorgeschichte für besonders bewundernswert oder sportlich herausragend und deshalb unterstützungswürdig hielte. Die Verantwortlichen in Kathmandu befürchten vielmehr, dass der Tourismusmarkt nach dem Erdbeben in der Herbstsaison um die Hälfte einbricht. Nicht viel mehr als eine Handvoll Permits hat sie für Herbst-Expeditionen ausstellen müssen. Das alleine wäre noch nicht dramatisch, doch auch die Nachfrage nach Trekkingtouren in Nepal, Haupteinnahmequelle in der Nach-Monsun-Zeit, war mäßig.
Licht am Horizont
Das bestätigt auch meine Anfrage bei deutschen Veranstaltern. Amical Alpin verzeichnet für den Herbst einen Rückgang der Buchungen von Trekkingreisen nach Nepal von etwa 30 Prozent, bei Expeditionen von 50 Prozent. Auch der DAV Summit Club beziffert den Markteinbruch für Nepal auf etwa 50 Prozent. Beide Agenturen sehen jedoch Licht am Horizont. „Seit einigen Wochen können wir feststellen, dass Nepal und hier vor allem die Annapurna-Region und das Everest-Gebiet wieder verstärkt nachgefragt werden“, schreibt mir Marcus Herrmann, Produktmanager beim Summit Club. „Für das Frühjahr 2016 gehen wir von einer deutlichen Belebung aus.“ Auch Amical registriert seit Anfang August wieder Buchungen für Nepal und ist für die nächste Saison „guter Dinge“. Dem gebeutelten Land und seinen von der Katastrophe geschlagenen Menschen wäre es zu wünschen. Vielleicht ist die Regierung in Kathmandu dann auch nicht mehr gezwungen, Presserummel um Permits zu veranstalten.