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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Steck: „Nur so kann ich den Menschen Nepals helfen“

Ueli Steck

Ueli Steck

Noch 20 Tage, dann kehrt Ueli Steck nach Nepal zurück. In das Land, in dem der 38 Jahre alte Schweizer Topbergsteiger in ein und demselben Jahr sowohl seinen vielleicht spektakulärsten Erfolg als Bergsteiger feierte als auch die größte Todesangst erlebte, die nichts mit den eigentlichen Risiken des Bergsports zu tun hatte. Im Frühjahr 2013 griffen aufgebrachte Sherpas in einem Hochlager am Everest Ueli und seine Teamgefährten Simone Moro und Jonathan Griffith an und bedrohten sie mit dem Tod. Im Herbst 2013 stieg Steck auf die 8091 Meter hohe Annapurna, den Achttausender mit der höchsten Todesrate: im Alleingang durch die extrem gefährliche Südwand, über eine teilweise neue Route, wie immer ohne Flaschensauerstoff. Nur 28 Stunden benötigte Ueli für Auf- und Abstieg.

Dass er wieselflink die Berge hinaufjagen kann, bewies Steck auch in diesem Sommer, als er – wie hier berichtet – in nur 62 Tagen alle 82 Viertausender der Alpen bestieg und die Entfernung zwischen den Bergen ohne Motorkraft zurücklegte: zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Gleitschirm. Ich habe mit Ueli über seinen Parforceritt durch die Alpen gesprochen – und auch über sein neues spannendes Vorhaben in Nepal, am Fast-Achttausender Nuptse, in Sichtweite des Mount Everest.

Ueli während seines "82 Summits"-Projekts

Ueli während seines „82 Summits“-Projekts

Ueli, du hast mir vor deinem Projekt „82 Summits“ erzählt, du wolltest die Risiko-Schraube ein bisschen zurückdrehen, einfach nur Spaß haben. Hattest du diesen Spaß in den 62 Tagen, die du gebraucht hast, um alle Viertausender der Alpen zu besteigen?

Es war eigentlich eines der besten Projekte, das ich jemals gemacht habe. Jeden Tag hat es Spaß gemacht. Dazu kam, dass ich ausgesprochenes Glück mit dem Wetter hatte.

Wie groß war die sportliche Belastung und damit auch für dich der sportliche Wert?

Am Ende hatte ich 117.000 Höhenmeter gemacht, das ist schon eine gewisse Belastung. Der sportliche Wert ist im Augenblick noch schwer abzuschätzen. Aber es hat für mich schon einen recht großen Wert, weil ich immer alles unter Kontrolle hatte. Ich konnte mich immer gut erholen und hatte nie Probleme mit meinem Körper.

Dir ist ja dein ursprünglicher Partner bei dem Projekt, der deutsche Bergsteiger Michi Wohlleben, recht früh abhanden gekommen, weil er sich verletzt hat. Du warst anschließend mit vielen unterschiedlichen Partnern am Berg unterwegs, unter anderen mit deiner Frau Nicole. Hast du das genossen?

Das hat eigentlich das Projekt in eine komplett andere Richtung gelenkt. Das war super genial, mit so unterschiedlichen Leuten zu klettern. Wenn ich etwa mit meiner Frau unterwegs war, ging es vor allem um das Erlebnis einer schönen Bergtour. Mit Andy Steindl konnte ich dann mal wieder richtig Gas geben. So ergab sich jeden Tag ein anderer Ansatz.

Du bist jetzt richtig gut durchtrainiert, warst oft genug auf über 4000 Metern, damit bist du auch akklimatisiert – beste Voraussetzungen, um die ganz hohen Berge anzugehen.

Ich glaube schon, dass ich jetzt eine gute Basis und einen guten Trainingszustand habe, um nach Nepal zu gehen.

Die Nuptse-Gipfel von Süden aus

Die Nuptse-Gipfel von Süden aus

Planst du immer noch, im Herbst mit dem US-Amerikaner Colin Haley die so genannte „Babanov-Route“ am 7804 Meter hohen Nuptse East im Alpinstil zu versuchen?

Genau. Wir fliegen am 22. September nach Nepal. Und dann schauen wir mal, was sich dort ergibt.

Worin liegt für dich der besondere Reiz dieses Projekts?

Es ist eine technisch anspruchsvolle Route, die noch nie wiederholt wurde. Als Valeri Babanov und Yuri Kosholenko diese Route (im Jahr 2003 über den Südostpfeiler) erstbegingen, nutzten sie Fixseile. Ich habe das Gefühl, dass es jetzt wirklich möglich ist, diese schwierige Route auch im Alpinstil zu begehen. Und das reizt mich.

Du startest mit einem Kletterpartner. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende doch wieder ein Soloprojekt wird?

(Lacht) Nein, damit bin ich fertig. Beim 82-Summits-Projekt war es ja schon wieder so, dass der Michi ausgestiegen ist. Aber nein, solche Aktionen wie an der Annapurna mache ich nicht mehr.

Für dich wird es auch eine Rückkehr in eine Region, in der du im Frühjahr 2013 alles andere als gute Erfahrungen gemacht hast. Du wurdest im Everest-Hochlager von aufgebrachten Sherpas angegriffen. Hast du immer noch ein mulmiges Gefühl?

Ich werde das natürlich niemals vergessen. Es ist in meinem Hinterkopf. Aber ich habe jetzt ein paar Jahre Zeit gehabt, mich damit zu beschäftigen, mit Leuten darüber zu sprechen und das Ganze einzuordnen. Es waren nur ein paar Extremisten. Aber es gibt überall auf der Welt ein paar komische Leute. Für mich ist das erledigt, und ich schaue nach vorne.

Ueli an der Annapurna

Ueli an der Annapurna

In der Zwischenzeit ist viel in Nepal passiert: zwei tödliche Lawinen am Everest; das verheerenden Erdbeben; in der Folge in diesem Herbst wenig Trekkingtouristen, kaum Expeditionen. Willst du mit deinem Projekt auch ein Signal geben: Leute, ich habe keine Angst, dorthin zu fahren?

Ich habe natürlich immer noch ein bisschen Angst: Gibt es noch einmal ein solches Erdbeben? Es ist nicht lustig, wenn du dann in den Bergen unterwegs bist. Auf der anderen Seite ist es die einzige Möglichkeit, wie ich den Leuten in Nepal richtig helfen kann – indem ich wieder dorthin reise, ihnen Arbeit bringe und damit Möglichkeiten für sie schaffe, dass das Leben weitergeht.

Steht man als Profi-Bergsteiger, der oft in Nepal war, in der Verantwortung, dem Land jetzt, wo es ihm wirklich schlecht geht, auch etwas zurückzugeben?

Für mich ist es selbstverständlich, dass ich versuche zu helfen – in dem Rahmen, in dem es mir möglich ist. Ich bin nicht der Meinung, dass man einfach nur Hilfsgüter schicken sollte. Das bringt einem Land wie Nepal schlussendlich nichts. Am Anfang ist es wichtig, und es ist ja auch passiert. Aber die Leute müssen Arbeit haben, damit sie zu etwas kommen. Das war mir immer wichtig, deshalb bin ich auch immer wieder nach Nepal gekommen: damit es für die Leute, die ich kenne und unterstützt habe, auch weitergeht.

P.S. An der Stelle möchte ich euch noch einmal an unser Hilfsprojekt „School up!“ erinnern. Alle Details findet ihr auf der rechten Seite des Blogs, Berichte darüber auf der oberen Leiste. Danke!

Datum

2. September 2015 | 14:22

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