Mr. Nordwand
Robert Jasper hat eine Schwäche für Nordwände. „Ich möchte dort neue Maßstäbe setzen“, sagt der 43 Jahre alte deutsche Extrembergsteiger. Das hat er längst getan. Bereits 1991 durchstieg er die drei klassischen Alpen-Nordwände (Eiger, Matterhorn, Grande Jorasses) solo, auf schwierigen Routen und dabei äußerst schnell. In diesen Wänden vollendete er im Oktober vergangenen Jahres eine weitere spektakuläre Trilogie: „Ich wollte das Freiklettern (Anm.: Haken, Klemmkeile und Seil werden nur zur Sicherung, nicht zur Fortbewegung genutzt) in die großen Nordwände übertragen“, erläutert Robert sein Projekt, das ihn fast ein Jahrzehnt lang beschäftigt hat. Mit den Schweizern Markus Stofer (2003 Grandes Jorasses) und Roger Schaeli (2010 Eiger, 2011 Matterhorn) gelangen ihm die ersten freien Begehungen schwierigster Routen. Zwischendurch habe er manchmal am Erfolg gezweifelt, räumt Jasper ein. „Die Wände sind in der direkten Linie wirklich gefährlich.“
Eiger-Nordwand ausgelutscht?
Vor allem die Eigernordwand hat es Robert angetan – nicht nur, weil er sie bei gutem Wetter von seinem Heimatort Schopfheim im Südschwarzwald aus sehen kann. Mehr als ein Dutzend Mal hat er sie bereits durchklettert. „Es ist einfach die größte Wand in den Alpen, man wird in ihr als Bergsteiger komplett gefordert“, antwortet Jasper, als ich ihn frage, ob die Eiger-Nordwand nicht ausgelutscht sei (das Gespräch könnt ihr unten nachhören). „Dann könnte man auch sagen, ein Stadion ist ausgelutscht. Am Ende kommt es doch darauf an, was dort geleistet wird. Auch am Eiger kann man noch ganz neue Routen klettern.“ Eine der schwierigsten in der Wand („Symphonie de liberté“) eröffnete Robert 1999 mit seiner Frau. In Daniela, erzählt der Kletterer, habe er „die extreme, perfekte Partnerin“ gefunden.
Familienverträglich
Die beiden haben zwei Kinder: Amelie und Stefan. Dennoch gehen Robert und Daniela auch weiterhin in den Alpen zusammen auf Bergtouren. „Ganz ohne Klettern, da würde unser Leben einfach nicht mehr stimmen“, findet Robert. „Man muss es eben familienverträglich machen, wenn man gemeinsam unterwegs ist.“ Dieses Kriterium ist bei langen Expeditionen nicht erfüllt, deshalb muss der Extrembergsteiger dann auf seine Frau verzichten. Immer wieder zieht es ihn nach Südamerika – nach Patagonien oder Feuerland. Dort, sagt Robert, könne er Abenteuer nach seinem Geschmack erleben: „Wenn ich auf einen Berg steige, auf dem noch nie jemand war oder über den es keine Informationen gibt. Wenn ich noch nicht weiß, wohin mich der Weg führt. Wenn ich mich auf mein inneres Gespür verlassen muss.“
Mehr der Kletterer
Seit Robert 2007 am Cho Oyu nur mit viel Glück eine Lawine überlebte, hat er die höchsten Berge der Welt erst einmal ad acta gelegt. „Es ist auch toll, auf einen Achttausender zu steigen“, sagt Robert, „aber ich bin einfach mehr der Kletterer. Schwierige Routen frei zu klettern oder Expeditionen in unentdeckte Regionen reizen mich mehr.“ Jasper vergleicht das Bergsteigen mit der Leichtathletik. „8000er-Bergsteigen ist wie Marathon, Bouldern wie der 100-Meter-Sprint, und dazwischen gibt es noch viele andere Disziplinen. Ich finde es schön, dass sich jeder seine eigene heraussuchen kann.“
Muss auf die Berge hoch
Robert bezeichnet sich als „Bergsteiger aus Leidenschaft“. Und für eine Passion müsse man sich auch schinden können: „Gerade bei meinen Expeditionen mit Stefan Glowacz in Patagonien (Anm.: 2005 gelang beiden nach mehrfachem Anlauf eine schwierige Route durch die Nordwand des Cerro Murrallón.) habe ich gelernt, dass ich an großen Zielen auch wirklich lange dranbleiben und durch Mühe und Schweiß gehen muss. Irgendwann, wenn ich hartnäckig genug bin, schaffe ich es.“ Andere Menschen, sagt Robert, könnten ähnliche Glücksgefühle auch beim Wandern im Schwarzwald oder den Alpen erleben. „Aber ich bin der Extrembergsteiger und muss einfach auf die Berge hoch.“