Kostenloser Rückflug aus Tibet für alle Sherpas?
China zeigt sein freundliches Gesicht. Für den 10. Mai plane die chinesische Regierung, „den gesamten Sherpas (also nicht nur den Hochträgern, sondern auch den Köchen und Küchenhelfern) einen kompletten Charterflug von Lhasa nach Kathmandu kostenlos zur Verfügung zu stellen“, schreibt mir Ralf Dujmovits und spricht von einer „großzügigen Geste“ – trotz der zu erwartenden Propaganda der Chinesen. Der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger ist inzwischen wie viele andere westliche Bergsteiger, die in Tibet auf Expedition waren, in Lhasa eingetroffen. „Die China Tibet Mountaineering Association (CTMA) trägt großzügig die Kosten für den Rücktransport nach Lhasa, Unterbringung und Verpflegung. Und sie kümmert sich um die Visaformalitäten der gesamten gestrandeten Bergsteiger an allen tibetischen Gipfeln“, berichtet der 53-Jährige. Der Landweg von Tibet nach Nepal ist neun Tage nach dem verheerenden Erdbeben blockiert. Chinesische Helfer versuchen seit gestern, vom nepalesischen Grenzort Kodari aus mit schwerem Gerät die Verbindungsstraße nach Kathmandu freizuräumen.
Zimmergroße Felsblöcke
Ursprünglich hatte Ralf zusammen mit der kanadischen Bergsteigerin Nancy Hansen den Everest von Norden aus ohne Flaschensauerstoff besteigen wollen. Als die Erde in Nepal bebte, waren die beiden gerade oberhalb des Chinese Base Camp auf etwas 5200 Metern unterwegs. „Wir rannten um unser Leben, als zimmergroße Felsblöcke von den über uns liegenden Moränenhängen zu uns herunter donnerten“, schreibt Ralf. Als die chinesischen Behörden schließlich vier Tage später alle Berge Tibets sperrten, weil sie die Gefahr weiterer Beben für zu groß erachteten, hielten sich Ralf und Nancy bereits im vorgeschobenen Basislager (ABC) auf 6400 Metern auf. Sie seien dann sofort zurückgekehrt. „Am ehesten beschreibt ‚Leere‘ meine und unsere Stimmung“, sagt Ralf. „Tausende Menschen sind auf beiden Seiten des Himalaya-Hauptkamms gestorben, Zehntausende sind obdachlos, und große Not und unüberschaubares Elend liegt vor den Überlebenden. Nancy und ich möchten kein einziges Wort der Enttäuschung äußern. Wir hatten Hoffnungen und Träume – und sind (auf der Everest-Nordseite) in erster Linie mit dem Leben davon gekommen.“ Dominik Müller, Chef des Expeditionsveranstalters Amical alpin, berichtet auf Facebook, dass am Samstag vom Nordsattel eine große Lawine abgegangen sei: „Es war richtig, alle Aktivitätan am Berg einzustellen.“
Noch immer viele Vermisste
Dujmovits und Hansen planen, von Lhasa aus nach Kathmandu zu fliegen. Ralf will sich im östlich der nepalesischen Hauptstadt gelegenenen Distrikt Sindhupalchowk ein Bild von der Lage zu machen. Er hatte dort zusammen mit der Nepalhilfe Beilngries vor einigen Jahren den Bau zweier Schulen auf den Weg gebracht. „Beide sollen schwer beschädigt oder zerstört sein“, schreibt Ralf. Das Erdbeben hatte diese Region, in der auch der Langtang-Nationalpark liegt, besonders schwer getroffen. Die Regierung hat dort bis heute bereits mehr 2800 Tote registriert. Mehrere hundert Menschen werden noch vermisst. Darunter sind zahlreiche Trekkingtouristen, auch aus Deutschland. Insgesamt stieg die Zahl der Toten auf über 7300.
P.S.: Auch die Nepalhilfe Beilngries hat ein Spendenkonto für die Lawinenopfer eingerichtet: Volksbank Bayern Mitte eG, IBAN: DE05 7216 0818 0004 6227 07, SWIFT-BIC: GENODEF1INP, Kennwort:„Erdbeben“.