Lunger: „Der Prinz muss lange kämpfen“
Die Hängepartie am Nanga Parbat geht weiter. 15 Zentimeter Neuschnee bedecken das Basislager auf der Diamir-Seite. Möglicherweise müssen Alex Txikon, Ali Sadpara, Simone Moro und Tamara Lunger ihren eigentlich für Sonntag geplanten Aufstieg verschieben, mit dem sie sich neuerlich akklimatisieren wollten. Das Tischtuch zwischen dem Spanier Txikon und dem Italiener Daniele Nardi scheint endgültig zerschnitten zu sein. „JA, die Zusammenarbeit ist beendet“, schreibt mir Alex aus dem Basislager. „Obwohl ich dieser Kooperation mehr als eine Chance gegeben habe, war es letztlich unmöglich, sie fortzusetzen.“ Der Streit belastet auch Tamara Lunger. Die 29 Jahre alten Südtirolerin hat bereits zwei Achttausender bestiegen: 2010 als jüngste Frau den Lhotse (mit Flaschensauerstoff) und 2014 den K 2 (ohne Atemmaske). Am Nanga Parbat ist sie erneut mit dem Italiener Simone Moro unterwegs. Im vergangenen Jahr hatten die beiden ihren Versuch am Manaslu wegen starker Schneefälle abbrechen müssen. Ich habe Tamara im Nanga-Parbat-Basislager kontaktiert.
Tamara, das schlechte Wetter hält euch nun schon seit Tagen im Basislager fest. Wie vertreibst du dir die Zeit und dich selbst fit?
Ich selbst hatte mit der Gesundheit zu kämpfen, da ich starken Husten hatte. Also war es für mich nicht mal so schlecht, dass alles so gelaufen ist. Und dann haben wir natürlich versucht, jeden Tag abwechselnd unseren Weg zum Lager 1 offen zu halten. Es ist schon so, wenn man nur hier im Basislager herum sitzt und nichts macht, dann geht es dem Körper nicht besser. Er wird immer schwerfälliger. An den Tagen wo man wirklich nichts macht, habe ich immer die Möglichkeit, an meinem Buch zu schreiben, zu waschen, zu filmen, einfach nur die Sonne genießen, oder mit den ganzen Männern hier über Frauen zu sprechen.
Bei Winterexpeditionen ist Geduld noch mehr gefragt als bei Expeditionen in den anderen Jahreszeiten. Fällt dir das Warten sehr schwer?
Ich muss ehrlich sagen: ja. Aber dieser Gipfel jetzt im Winter ist mir dermaßen wichtig, dass ich dafür wirklich diese drei Monate hernehme und mir keinen Druck mache. Ich bin hier mit dem Ziel, auf den Gipfel zu kommen. Ich werde alles versuchen, und ich weiß, dass ich mit Simone Moro als Kletterpartner den Besten habe. In dieser letzten Zeit habe ich schon sehr viel von ihm gelernt, vor allem was den Winter anbelangt. Wir verstehen uns super gut, und ich bin glücklich hier zu sein und diese Chance zu haben.
Ihr habt euren Plan aufgegeben, über die Messner-Route aufzusteigen. Tomek Mackiewicz und Elisabeth Revol waren auf dieser Route immerhin auf Schlagdistanz zum Gipfel gestiegen. Was hat euch bewogen, euren Plan zu ändern?
Als Tomek und Elisabeth Richtung Gipfel gegangen sind, waren auch wir gemeinsam mit ihnen auf Lager 2. Wir mussten zwei Tage dort ausharren wegen des Wetters, und uns ist blöderweise das Essen ausgegangen. Trotz des Gutwetterfensters haben wir uns dazu entschlossen, herunterzugehen.
Nach ihrer Rückkehr haben sie uns von einem Aufstieg eher abgeraten, weil der Serac dermaßen gefährlich ist, dass er jederzeit bereit ist einzustürzen.
Welche Verhältnisse erwartet ihr nun auf der Kinshofer-Route?
Es soll recht gut und hart sein. Bis Lager 1 haben wir uns um die Spur bemüht, und von Lager 1 bis 3 ist es ziemlich eisig. Der starke Wind war uns hier sehr behilflich. 😉
Simone und du habt euch mit Alex Txikon und Co. zu einem Team zusammengeschlossen. Bedeutet das, ihr würdet auch einen Gipfelvorstoß gemeinsam angehen? Oder würdet ihr dann wieder als getrennte Seilschaften unterwegs sein?
Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen. Jedenfalls starten wir gemeinsam, und wir freuen uns jetzt schon richtig drauf. Alle sind gut drauf und haben Spaß zusammen.
Drei Teams sind bereits wieder abgereist, wie viel Zeit gebt ihr euch?
Bis zum Ende des Winters. Ich spüre ganz viel Positives. Bis jetzt hatten wir mit vielen Problemen zu kämpfen, aber hier ist es mehr eine Liebesgeschichte. Der Prinz muss lange kämpfen, bis er seine Prinzessin bekommt. Aber alles mit der Ruhe. 😉
Viele Berichterstatter in den Medien – ich übrigens nicht – schreiben von einem Wettlauf am Nanga Parbat. Wie siehst du das?
Wenn es einen gegeben hat, dann ist er jetzt vorbei! Und ich bin sehr glücklich darüber und freue mich auf alles, was kommt. Und die Medien machen es sich wirklich einfach. Teilweise reimen sie sich Dinge zusammen, hören nur eine Meinung an oder spekulieren, wissen aber nicht, was sie hier alles anrichten. Viele der Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten und Streitereien hier im Basislager sind nur dank und für die Medien entstanden. Bergsteiger hier werden von außen als gut oder böse dargestellt, verhalten sich falsch oder richtig, und man selber, wie man hier im Basislager sitzt, ist nur mehr am Staunen, hat aber keinen Einfluss auf manches Geschehen.
Aber mir hat das auch sehr die Augen geöffnet, muss ich sagen. Sobald die Bergsteiger nur mehr hierher kommen, um der Welt da draußen zu gefallen, um Aufregendes zu berichten, damit man so viele Likes, Klicks und weiß Gott was sonst noch bekommt, dann ist das nicht der richtige Platz. Hier geht es unter anderem auch ums Überleben. In der Eiseskälte genügt ein blöder Fehler und man ist bei Gott. Da können auch seine Kameraden nur mehr schwer helfen. Das alles, was wir hier machen, hat seinen Wert. Aber auch wir selbst haben einen gewissen Wert, der manchmal wirklich zerbrechlich scheint.
Wie gehst du mit den Meinungsverschiedenheiten zwischen Alex und Daniele um, die der Spanier öffentlich gemacht hat?
Ich, oder besser gesagt, alle, die noch hier sind, leiden unter diesen Meinungsverschiedenheiten. Eine Person hat hier wirklich mit schmutzigen Mitteln gespielt und muss jetzt halt auch dafür gerade stehen.
Ist es für dich eine besondere Situation, als einzige Frau unter Männern auf der Diamir-Seite?
Ich habe noch Igone (Mariezkurrena) als Unterstützung hier, die Freundin von Alex. Manchmal ist es recht angenehm, nur unter Frauen zu sein. Mit den Männern kann man immer nur über dieselben zwei Themen reden: Frauen und das Gehänge zwischen den Beinen.
Update 8.2.: Der Italiener Daniele Nardi hat seine Zelte im Basislager abgebrochen und hat die Heimreise angetreten.