Sicher im Khumbu
Sicherheit ist vor allem ein Gefühl. Die objektive Gefahr, die auf uns lauert, nehmen wir häufig überhaupt nicht wahr. Und wenn doch, dann meist erst, wenn wir gar nicht anders können, als ihr ins Auge zu blicken. Vor einer Woche bin ich vom Trekking im Khumbu, der Region um den Mount Everest, zurückgekehrt. Gut elf Monate sind seit dem verheerenden Erdbeben in Nepal vergangen. Ich denke, dass meine Sinne durchaus geschärft waren, weil es ein Ziel meiner Reise war, mich über die Folgen des Bebens zu informieren. Allen, die demnächst in diese Region reisen wollen, um zu trekken oder Bergsteigen zu gehen, kann ich eines mit guten Gewissens mit auf den Weg geben: Ich habe mich im Khumbu absolut sicher gefühlt.
Erinnerungen an den Bürgerkrieg
Das galt bei meinem ersten Besuch im Everest-Gebiet vor 14 Jahren nicht unbedingt. Wegen des Bürgerkriegs mit den Maoisten herrschte 2002 im größten Ort Namche Bazaar ab 17 Uhr eine Ausgangssperre. Die Soldaten der dortigen Militärstation waren nervös, ich hörte Schüsse. Erst als wir das Kloster Tengboche auf 3860 Metern erreicht hatten, meinte mein damaliger Bergführer Gowa Lama: „Jetzt sind wir sicher. Höher sind die Maoisten bisher nicht vorgedrungen.“ Der Bürgerkrieg in Nepal ist seit zehn Jahren Geschichte. Diesmal konnten wir durch die beeindruckende Bergwelt des Himalaya wandern, ohne uns Gedanken über Wegezoll an Aufständische machen zu müssen, oder darüber, möglicherweise zwischen die Fronten zu geraten.
Meiste Trümmer beseitigt
Auch im Khumbu hat das Erdbeben vom 25. April 2015 Spuren hinterlassen, doch das Gebiet kam eher glimpflich davon, verglichen etwa mit dem besonders hart getroffenen Distrikt Sindhupalchowk. Hier und da stößt man noch als Zeugen des Bebens auf Stupas (Grabstätten von Lamas, die nach dem buddhistischen Glauben wiedergeboren wurden), die von Rissen durchzogen sind. Die meisten Trümmer sind jedoch beseitigt. Vielerorts wurden bereits an der Stelle der eingestürzten Häuser, bei denen es sich vor allem um traditionelle Sherpa-Bauten handelte, neue Gebäude errichtet. Die Trekkingpfade sind gut ausgebaut, so gut wie keine Spuren des Bebens sind erkennbar.
Auf Tourismus angewiesen
Vielleicht fühlte ich mich auch deshalb im Khumbu so sicher, weil dort viel weniger über das Erdbeben gesprochen wurde. Die Menschen im Everest-Gebiet scheinen die Naturkatastrophe des Vorjahrs verarbeitet und abgehakt zu haben. Wahrscheinlich auch, weil sie nicht ganz so schlimm getroffen wurden. Die Folgen des Bebens waren eher mittelbar: Der Tourismusmarkt brach ein, weil die Urlauber aus dem Ausland um ihre Sicherheit bangten. Mein Eindruck im Khumbu: Diese Sorgen sind unbegründet. Ihr könnt ohne Bauchschmerzen dorthin reisen. Die Bergführer, Träger, Bauern, Lodge- und Ladenbesitzer, die auf die Einnahmen aus dem Tourismus dringend angewiesen sind, werden es euch danken. Mit großer Gastfreundschaft und einem ehrlichen Lächeln.