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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gut gegen Winter-Depression

Weihnachts_EverestDieser Tage erhielt ich die lustige Weihnachtskarte eines Expeditionsveranstalters. Sie zeigte einen Weihnachtsmann auf dem Mount Everest, mit dem Finger vor dem Mund: „Pst … für meine Rentiere definitiv zu hoch.“ Das erinnerte mich daran, dass ich eigentlich noch meinem alten Freund Chomolungma frohe Weihnachten wünschen wollte. Seit Jahren ist er ja per Handy zu erreichen. Beim ersten Klingeln hebt er ab.

Namaste, Chomo! Hier ist Stefan.

Lange nichts mehr von dir gehört.

Tschuldigung. Ich wollte mich mal deinem Befinden erkundigen.

Sonnenschein, minus 26 Grad Celsius, 65 Stundenkilometer am Gipfel, gute Fernsicht.

Klingt nach ruhigem Winterwetter.

Mir gefällt’s.

Hast du schon gehört, dass du bald Besuch bekommst?

Bestimmt ein paar winterharte Wanderer, die fluchend im Basislager stehen, weil wieder mal die Batterien ihrer Digikameras wegen der Kälte den Geist aufgegeben haben.

Falsch getippt! Zwei richtige Bergsteiger wollen versuchen, dich im Winter zu besteigen.

Haben wir schon den 1. April? Seit 1993 ist mir doch keiner mehr auf den Kopf gestiegen. Doch nicht schon wieder dieser Japaner, der sich schon fast alle Finger abgefroren hat und trotzdem jeden Herbst an mir herumkratzt?

Everest, Lhotse, Makalu (v.l.n.r.)

Everest, Lhotse, Makalu (v.l.n.r.)

Nein, weder Scherz noch Kuriki. Die Spanier Alex Txikon und Carlos Rubio machen sich am ersten Weihnachtstag auf den Weg nach Kathmandu und werden wohl in der ersten Januarwoche bei dir aufkreuzen. Wie findest du das?

Nicht schlecht, ein bisschen Ablenkung kann nicht schaden. Ist gut gegen Winterdepression, sagt mein Therapeut.

Und was verordnet er dir sonst noch?

Na, das Übliche bei Burnout. Viel Ruhe, vor allem keine Zeitung lesen.

Warum das?

Wegen der „faked news“.

Will Donald Trump jetzt auch noch auf den Everest?

Wer weiß? Nachdem die Chinesen jetzt auf der Nordseite ein großes Touristenzentrum bauen wollen, könnte er ja auf die Idee kommen, auf der Südseite ein Spielcasino zu eröffnen. Aber das meinte ich nicht mit „faked news“.

Sondern?

Original (1,2) und Fälschung (3,4) (© The Himalayan Times)

Original (1,2) und Fälschung (3,4) (© The Himalayan Times)

Na, diese Gipfelschwindler. Diese beiden Inder, die sich in die Gipfelfotos anderer kopiert haben und sich damit ein Everest-Zertifikat erschlichen haben.

Die sollten dir eigentlich nicht mehr den Schlaf rauben. Sie sind enttarnt, und als Polizisten dürfen sie in Indien auch nicht mehr arbeiten.

Das wäre ja auch noch schöner! Ich habe der nepalesischen Regierung nach dieser Geschichte übrigens einen Vorschlag gemacht.

Einen Vorschlag?

Sie sollten am Gipfel eine Blitzer-Anlage installieren, wie sie im Straßenverkehr eingesetzt wird, um Raser zu erwischen. Wenn jemand die Lichtschranke überschreitet, wird er abgelichtet. Das Ganze solarbetrieben.

Und, wie hat die Regierung in Kathmandu reagiert?

Sie hat den Vorschlag abgelehnt.

Mit welcher Begründung?

Diese Reform würde ja die Verbindungsoffiziere überflüssig machen, hieß es.

Everest-Basislager

Everest-Basislager

Aber die tauchen doch im Regelfall ohnehin nicht im Basislager auf, nachdem sie ihr Geld von den Expeditionen kassiert haben.

Eben. Bisher waren sie nicht da, weil sie es für überflüssig hielten. Nun wären sie nicht da, weil sie überflüssig wären.

Seltsame Logik.

Einiges ist seltsam, wenn sich die Leute mit mir befassen. Warum, meinst du wohl, brauche ich einen Therapeuten?

Aber du bist doch der GröBaZ, der Größte Berg aller Zeiten. Du müsstest doch vor Selbstvertrauen strotzen.

Alles Fassade. Und die bröckelt.

Ich dachte, der Klimawandel sei schuld am zunehmenden Eis- und Steinschlag an deinen Flanken.

Ist er ja auch. Ich meinte das mit der Fassade eher im übertragenen Sinne. Ich will endlich wieder respektiert werden.

Was kann ich denn tun, um dein Ego zu stärken?

Schicke mir weniger Egomanen, dafür ein paar Top-Bergsteiger!

Ueli Steck

Ueli Steck

Mit Txikon ist doch schon mal ein Anfang gemacht. Der hat immerhin den Nanga Parbat erstmals im Winter bestiegen. Und im Frühjahr kommt auch noch Ueli Steck.

Um sich wieder verhauen zu lassen? (lacht)

Stop, Chomo! Darüber macht mein keine Scherze. Er will die Everest-Lhotse-Überschreitung versuchen. Ohne Atemmaske.

Ui, da bleibt mir glatt die Luft weg. (lacht) Mensch, zweimal in einer halben Minute gelacht. Kannst  du nicht häufiger anrufen?

Okay, versprochen. Chomo, auch wenn du Buddhist bist: Frohe Weihnachten!

Selber!

Datum

23. Dezember 2016 | 17:22

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