Fiets Land
Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Kaum hatte ich auf der rechten Rheinseite hinter Emmerich die deutsch-niederländische Grenze überquert, fühlte ich mich wie in einer anderen Fahrradwelt. Das begann schon damit, dass einfach viel mehr Menschen auf Rädern unterwegs waren. Senioren mit E-Bikes, Hausfrauen, die sich mit ihren Markteinkäufen auf dem Gepäckträger dem Wind entgegenstemmten, große Gruppen von Rennradfahrern, Eltern und ihre Kinder, allesamt mit Zweirädern unterwegs. Nach meinem Aufbruch am Morgen in Rheinberg-Ossenberg nördlich von Duisburg war ich auf den Deichradwegen kaum einem anderen Radler begegnet. Dabei taugte diesmal das Wetter nicht als Ausrede. Zwar blieb es bis zum Mittag diesig, aber trocken. Und der Wind blies nur mäßig.
Kletterwand statt Kühlturm
In Xanten musste ich die Bremsklötze hinten an meinem Faltrad wechseln. Die Beläge waren runter, viel hätte nicht gefehlt, dass die Felge Schaden genommen hätte. Nach einer halben Stunde Zwangspause konnte ich die Fahrt fortsetzen. Ich passierte den „Schnellen Brüter“ von Kalkar, der niemals gebrütet hat. Das 1985 fertig gestellte Atomkraftwerk ging nach heftigen Protesten nie ans Netz und gilt als eine der teuersten Industrieruinen Deutschlands. Heute wird die Anlage als Freizeitpark benutzt, der Kühlturm wurde zur Kletterwand.
Radfahrer werden ernst genommen
Über die Rheinbrücke von Emmerich wechselte ich vom linken auf das rechte Ufer. Damit ging ich einer Überfahrt mit der Fähre im niederländischen Millingen aus dem Weg, die nur alle Stunde fuhr. Dass ich die Grenze auf dem Deich überquerte, bemerkte ich zunächst nur wegen der Straßenschilder. Der Spyker Weg wurde zum Spijksedijk. Und die Qualität der Radwege nahm extrem zu. In den Niederlanden hast du wirklich das Gefühl, als Radfahrer ernst genommen zu werden.
Auto nur zu Gast
Egal, wo du hinwillst, egal ob die Straße stark oder wenig befahren ist, immer gibt es einen Fahrradweg. Fast immer ohne die in Deutschland so verbreiteten Schlaglöcher oder sonstigen Schäden am Belag. Auch die Beschilderung der Routen ist erstklassig. Und die Autofahrer werden daran erinnert, dass sie Rücksicht auf die Radler nehmen sollen. „Auto te Gast“, das Auto zu Gast, steht etwa auf einem Schild, das eine Fietsstraat, also eine Radstraße, markiert. Da sind ganz einfach die Prioritäten verschoben.
Noch rund 200 Kilometer
Mir machte es einen Riesenspaß, mich mit meinem kleinen Faltrad in diesen Konvoi niederländischer „Fietsen“ einzureihen. Ganz gemütlich rollte ich vor mich hin, zu mehr reichen nach nunmehr zehn Tagen meiner Spendenfahrt „School up! River down!“ die Kräfte nicht mehr. Aber auch so kommt man voran. Heute stieg ich nach gut neun Stunden und einer Strecke von 120 Kilometern in Wageningen vom Sattel, 25 Kilometer hinter Arnheim. Damit habe ich bisher seit dem Start am Oberalppass am Montag vergangener Woche 1292 Kilometer hinter mich gebracht. Die Mündung des Rheins in die Nordsee bei Hoek van Holland ist nur noch rund 200 Kilometer entfernt. So langsam beginne ich daran zu glauben, dass es im vorgegebenen Zeitfenster bis Freitag klappen könnte. Drückt mir die Daumen!
P.S.: Vielen Dank für eure aufmunternden Kommentare. Sie motivieren mich zusätzlich. 🙂