Wie ich den deutschen Sprachraum entdeckte
Im Sommer 1970 hatte ich die Aufnahmeprüfungen bestanden und wurde in eins der renommiertesten Gymnasien des Landes, und zwar in das österreichische Sankt Georgs Kolleg, aufgenommen, welches seit 1882 besteht. Damals war ich 11 Jahre alt. Doch eines konnte ich mit meiner kindlichen Vernunft schon begreifen: Die europäische Kultur, der sich die türkische Republik schon seit ihrer Gründung und davor zuwendet und von der sie ein Teil werden möchte oder vielleicht von Zeit zu Zeit bereits ein Teil geworden ist – in Form von einer Gegenidentifikation – diese europäische Kultur würde eine bedeutende Rolle in meinem Leben spielen. Und so geschah es auch.
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Şara Sayin
Lange bevor Fatih Akin seinen fiktiven Germanistikprofessor Nejat die deutsche Buchhandlung in Istanbul gleich ganz übernehmen ließ, war die Istanbuler Germanistikprofessorin Şara Sayın bereits Kundin bei Mühlbauer. Und lange davor hatte es gleich zwei deutschsprachige Buchhandlungen in Istanbul am Tünel gegeben – „Caron“ und „Kalis“.
Şara Sayın, Absolventin der Deutschen Schule im Jahr 1943, erinnert sich: „Von den meisten Lehrern wurden wir angehalten, unsere deutschen Bücher bei Kalis zu kaufen und nicht bei Caron, denn deren Eigentümer war Jude.“ Das Geschäftsleben dieses Viertels war von den großen Minderheiten der Stadt geprägt, vor allem den damals größten, der griechischen, der armenischen sowie der jüdischen Minderheit und „…die İstiklal war damals eine mehrsprachige Straße“, sagt Şara Sayin. Doch der Nationalsozialismus warf mindestens seine Schatten auch auf die deutsche Bildungseinrichtung am Bosporus.
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Spurensuche
Das „integrierte“ Leben der Beutetürken
Ob der Islam nun zu Deutschland oder nicht gehört darüber wurde ausreichend diskutiert. Aber dass die Menschen mit türkischen und muslimischen Hintergrund zu Deutschland gehören, steht außer Frage.
Die Türken, die als Gäste in den sechziger Jahren nach Deutschland kamen, waren beileibe nicht die Ersten. Vor ihnen waren schon die Beutetürken da gewesen. Das waren die Türken, die in den osmanischen Kriegen des 17. und 18. Jahrhunderts gefangen genommen und nach Deutschland und Österreich verschleppt worden waren. Es war wahnsinnig schick, sich an seinem Hof einen Türken zu halten. Ob Kammer- oder Hoftürke, sie waren beide Beutetürken.
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„Alter, hast du Döner in der Waffel?“
„Integrierte Currywurst“, Halal-Energy-Drinks und Obst-Döner à la carte – so sieht die deutsch-türkische Küche in Berlin aus. Aber mal ganz langsam zum Mitdenken: „Integrierte Currywurst“, Halal-Energy-Drinks und Obst-Döner? Wenn man sich diese Formulierungen, im wahrsten Sinne des Wortes, auf der Zunge zergehen lässt, scheinen die kulinarischen Genüsse der Deutschtürken skurril.
Abseits vom klischeebehafteten Menü, aus Döner und Ayran, stehen hinter diesen merkwürdigen Beschreibungen, innovative Ideen von jungen Gastronomen. Sie wissen genau, was ihrer Zielgruppe schmeckt, denn sie selbst sind ein Teil von ihr: junge Deutschtürken mit Lust auf schmackhafte Trends.
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Buchhandlung Mühlbauer
Wenn ich mich von der Galerie Polistar aus nach rechts wende und die Hoca Ali Sokak bergauf und immer weiter gehe, erreiche ich nach cirka 300 Metern den Tünel-Platz mit seinem dichten Gewimmel von Menschen.
„Tünel“, das ist ein Ende und ein Anfang zugleich: Endhaltepunkt der zweitältesten Untergrundbahn-Linie der Welt, der Tünel-Bahn, die zwischen dem ehemaligen Hafenviertel am Goldenen Horn und dem nach ihr benannten Tünel-Platz im ehemaligen Minderheitenviertel „Galata“ pendelt. Und zugleich ist der Tünel-Platz Ausgangspunkt der legendären İstiklal-Straße, die ursprünglich einmal als „Grand rue de Pera“ dieses Quartier durchquerte.
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