Befreiendes Schauspiel
Ich sehe nicht regelmäßig fern. Meine Tätigkeit als Schriftsteller lässt mir kaum Zeit dazu. Doch das änderte sich letzten Winter als meine Mutter einen Unfall erlitt und ich eine Zeit lang bei ihr zu Hause blieb. Eines Tages fiel mir auf, dass die Pflegerin meiner Mutter während ihrer Arbeit einen Film im Fernseher nicht aus den Augen lassen konnte. Als sie bemerkte, dass nun auch ich meine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm richtete, gab sie mir flüchtig den Hinweis, dies sei die erste Folge einer neuen Serie. Da sie eigentlich arbeiten musste, fühlte sie sich ertappt. Sie lud mich zum Mitschauen ein und bat so gleichzeitig um Verzeihung. Diese Serie sollte dann meine Dienstagabende der nächsten Monate bestimmen.
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Galerie Polistar
Ein Nachbar montiert Kronleuchter, ein anderer ist Buchbinder: Die Galerie Polistar liegt in der vierten Etage eines Iş Hanı, eines rein gewerblich genutzten Gebäudes, im Stadtteil Tophane. Das erinnert mich stark an das Westberlin meiner Studienzeit in den 1980er Jahren an der damaligen HdK Berlin (Hochschule der Künste, heute UdK, Universität der Künste) und teilweise an die Nach-Wendezeit im Osten Berlins, als sich Galerien und Ateliers in der Nachbarschaft alteingesessenen Gewerbes ansiedelten.
Tophane war bis vor wenigen Jahren ein vergessenes und heruntergekommenes Altbauviertel im Bezirk Beyoglu und ist heute eines jener inzwischen zahlreichen Viertel, die sich in einem rasanten Umbruch befinden – vom traditionellen Gewerbe- und Wohnviertel zum Kunst- und Szeneviertel.
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Ein Reservat für die Restdeutschen
Ein Ausblick auf die deutsche Kultur im Jahre 2135
Der pandeutsche Bundeskanzler Hans Al Farrag hat zusammen mit der Ministerin für Heimatangelegenheiten, Aysun Eteo, endlich beschlossen, den wenigen noch verbliebenen Menschen rein deutscher Abstammung ein Reservat zuzuweisen. Das Areal erstreckt sich auf wenige 100 Quadratkilometer und befindet sich im Oberland des ehemaligen Bundeslandes Bayern. „Auch wenn sie vom Aussterben bedroht sind, sollten sie in Würde ihren alten Riten und Gebräuchen nachgehen können“, so der Bundeskanzler nach Bekanntgabe des Beschlusses durch das Kabinett.
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Türken gehen nicht ins Theater
Türken gehen nicht ins Theater, weil sie bildungsfern sind und sich sowieso nicht für die deutsche Kultur interessieren. Und tatsächlich: Ob im Berliner Wintergarten, der Philharmonie oder der Deutschen Oper – kaum sitzt man auf seinem Platz und lässt den Blick durch die Publikumsreihen schweifen, fällt immer wieder Eines auf: Es sind so gut wie keine Deutschtürken da. Ein bestätigtes Vorurteil?
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