Lernen, lernen, lernen – überqualifiziert und arbeitslos?!
Vor einem Jahr, als ich meine Diplomarbeit fertig geschrieben hatte, begann meine gefürchtete Reise: Ich musste auf Jobsuche gehen. Optimistisch, voller Energie, habe ich das Internet durchstöbert, mein altes Netzwerk zum Leben erweckt und verschiedene Job-Webseiten abonniert. Eigentlich sah alles vielversprechend aus! Mehr als 200 Bewerbungsschreiben später weiß ich jetzt, dass ich nur zu zwei Bewerbungsgesprächen eingeladen wurde und kein einziges Jobangebot bekommen habe! Ganz schön traurig.
Ich erinnere mich oft an ein Lied, das wir als Kinder gesungen haben: „Someni Vijana, Kisha utapata Kazi Nzuri sana.“ Übersetzt bedeutet das: „Geht in die Schule, danach könnt ihr einen guten Job bekommen!“ Dieses Lied sollte die Menschen dazu ermutigen in die Schule zu gehen, damit sie gute Arbeit finden. Doch die Zeiten haben sich geändert!
Eine Hochschulausbildung ist kein Garant mehr für einen Job. Studenten müssen sich auch nach dem Studium weiterbilden, damit sie eine Chance haben.
Ein Grund dafür ist, dass der Arbeitsmarkt diktiert, dass ein Bachelor-Abschluß nicht mehr ausreicht. Der Wettbewerb wird immer größer. Ich kann mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben nicht zur Schule gegangen zu sein oder irgendetwas gelernt zu haben. An der Alliance Française habe ich während des Bachelor-Studiums Französisch gelernt. Ich lerne immer noch Deutsch am Goethe-Institut, und mittlerweile suche ich nach Möglichkeiten zur Promotion. Ein „Master“ scheint ein Muss zu sein. Meine Mutter, mein Bruder und ich haben unsere Master direkt nach dem 4-jährigen Bachelor-Studium gemacht.
Ich frage mich immer wieder, wie viele Qualifikationen man eigentlich noch haben muss? Mein älterer Bruder Fred zum Beispiel hat vier Jahre lang Jura studiert. Danach ging es ein Jahr weiter für ihn an der „Kenya School of Law“. Dieses Jahr ist obligatorisch für alle, die gerne als Anwalt in Kenia arbeiten möchten. Während dieser Zeit hat er parallel auch noch „Human Ressource Management“ an einem örtlichen College studiert. Das ist längst noch nicht alles. Er hat noch ein weiteres Studium abgeschlossen und gerade auch noch seinen Master in „Business Administration“ gemacht. Alles nicht genug für diesen Jobmarkt.
Aber werden wir nicht langsam auch zu alt, wenn wir uns immer weiter nur qualifizieren und fortbilden? Wann wenden wir all diese Fähigkeiten an, die wir uns so hart erarbeitet haben? Es scheint, als sei der aktuelle Arbeitsmarkt gnadenlos und brutal. Wie ein hungriges „Tier“, das immer und mehr Futter haben möchte. Ich habe gedacht, dass mein Bruder Fred jetzt endlich genug hat von der Lernerei -aber nein: Er möchte wieder an die Uni, etwas Neues studieren.
Ironischerweise kann man manchmal einen Job nicht bekommen, weil man als überqualifiziert gilt! Ich ärgere mich so oft über unser System hier in Kenia. Die Anforderungen sind hoch, aber es lohnt sich nicht immer, sie zu erfüllen. Auf der einen Seite hat man alle nötigen Qualifikationen. Auf der anderen Seite reicht dem Arbeitgeber die Erfahrung nicht aus. Oder man ist eben überqualifiziert. Was wollen die Arbeitgeben denn? Nur weil diese sich nicht entscheiden können, kommt es dann zur Abwanderung von Fachkräften – dem so genannten ‘Brain Drain.’
Aber die Menschen bilden sich auch noch aus einem anderen Grund weiter fort. Inzwischen gibt es viel mehr Möglichkeiten: Es gibt mehr Universitäten und Hochschulen, die zu ziemlich günstigen Preisen ein Bachelor-oder Master- Studium anbieten. Zudem haben diese Universitäten jetzt auch oft einen Campus außerhalb von Nairobi – also näher an den Menschen dran. Meine Mutter zum Beispiel musste weder ihre Arbeit noch ihre Familie verlassen, um zu studieren. Anstatt zur Universität in die Hauptstadt Nairobi zu gehen, kam die Universität zu ihr.
Die Frage bleibt allerdings, wie die Qualität an so einem Campus auf dem Land gesichert werden kann. Die Studenten dort sollten die gleichen Möglichkeiten geboten bekommen, wie die Studenten in den großen Städten…