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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Falsche Erwartungen

Russische Flugzeuge (Foto: Pavel Mylnikov).

Am Boden bleiben? Oder seinen Visionen folgen?

Ich habe Hellgurds letzten Eintrag gelesen – und darüber nachgedacht, wie es eigentlich für uns in Russland weiter geht, wenn wir einen Universitäts-Abschluss in der Tasche haben. Ich habe mich beispielsweise entschieden, zwei Abschlüsse zu machen – einfach aus dem Grund, weil mich zwei unterschiedliche Studienrichtungen interessieren und weil es mir gelungen ist, beide Studiengänge unter einen Hut zu kriegen. Zusätzlich habe ich noch Online-Kurse an einer amerikanischen Universität belegt, weil die Qualität der Lehre in meiner Heimatstadt mir unzureichend erscheint, und weil ich mich auch für den globalen Stellenwettbewerb rüsten möchte.

Was mir allerdings Sorgen macht ist, dass ich viele Leute an der Uni kennengelernt habe, die sich nicht aufgrund ihrer Interessen für einen Studiengang entschieden haben, sondern aufgrund der derzeit gefragten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt. Dabei vergessen sie anscheinend, dass diese nach ihrem Abschluss schon wieder ganz andere sein können. Meiner Meinung nach wird man nur dann Erfolg haben, wenn man nicht nur dem Kopf, sondern auch dem Herzen folgt.

Gleichzeitig lassen sich viele von Vorurteilen einschränken: Man solle bloß nicht in seiner Heimatstadt studieren, denn das würde bedeuten, dass man dort für immer bleiben und niemals in einer anderen Stadt oder im Ausland arbeiten könnte. Dabei haben wir doch immer eine Wahl, die Welt liegt uns zu Füßen! Entweder ist man ein offener und interessierter Mensch und lässt sich nicht von Vorurteilen leiten und kann daher auch seinen Wohnort wechseln und gleichzeitig mit seiner Familie in Kontakt bleiben. Oder man bleibt engstirnig und folgt dem Weg, den schon die Großeltern gegangen sind.

In unserem Blog wird gerade viel über Gender und gerechte Bezahlung diskutiert. In Russland verdient man im öffentlichen Dienst entweder ziemlich gut oder ziemlich miserable – das gilt sowohl für Frauen als auch Männer. Wenn man viel Geld verdient, ist man sehr wahrscheinlich in der höheren Laufbahn gelandet – und das ist eine Falle. Denn in Russland streben zu viele nach dieser höheren Anstellung, insbesondere aufgrund der exzellenten Bezahlung. Wir haben aber ein Sprichwort, das besagt: Zuviele Köche verderben den Brei. Und die Anzahl an Beamten in der höheren Laufbahn sagt leider überhaupt nichts über deren Qualifikation aus. Andere Berufe im öffentlichen Sektor wie zum Beispiel Ärzte oder Lehrer werden wiederum viel schlechter bezahlt, besonders im europäischen Vergleich. Hier finden sich weniger Männer, da das Rollenklischee vom männlichen Brötchenverdiener immer noch weit verbreitet ist.

Neueröffnetes Café in Russland (Foto: Pavel Mylnikov).

Das Glück selbst in die Hand nehmen: Selbständig im eigenen Café

In der Privatwirtschaft ist es anders – hier ist das Einkommen abhängig von der guten oder eben schlechten Leistung, die man erbringt! Eine Freundin von mir hat früher einmal in einer öffentlichen Bibliothek gearbeitet, bis ihr bewusst wurde, dass sie von ihrem Gehalt nur gerade so eben über die Runden kommt. Mittlerweile hat sie ihr eigenes Café eröffnet und zusätzlich zu dieser neuen Herausforderung macht ihr die neue Arbeit auch viel mehr Spaß. Allerdings musste sie mit sehr vielen bürokratischen Hürden kämpfen, um ihr Unternehmen registrieren zu lassen – und diese Hürden betreffen alle Selbständigen in Russland, egal ob weiblich oder männlich.

Ein weiteres Beispiel ist die Chefin meiner Sprachschule. Ihre Karriere begann sie als gewöhnliche Lehrerin, dann ist es ihr aber gelungen eine eigene Schule zu eröffnen und mittlerweile wächst ihr Unternehmen stetig, mit steigender Anzahl an Kursen und neuen Angeboten für Sprachschüler.

Ein weiterer Freund von mir ist ein vielversprechender, begabter Student. Er hat sich entschieden in unserer Hauptstadt zu studieren, weil ihm die örtliche Universität nicht wirklich die Türen zur wissenschaftlichen Welt öffnen konnte. Es würde mich kaum überraschen, wenn er in naher Zukunft einen bedeutenden Wirtschaftswissenschaftspreis gewinnt. Damit möchte ich gar nicht sagen, dass er irgendwie privilegiert ist. Es geht vielmehr darum, dass er einfach das macht, was ihn wirklich interessiert.

Mein Fazit: Anstatt sich nur zu beklagen und sich zu beschweren, wie unbefriedigend das Leben sei, sollte man lieber seinem Herzen folgen und das machen, was einen wirklich interessiert. Ich bin sicher, dass man dann auch Erfolg haben wird!

Datum

Donnerstag, 24.05.2012 | 13:30

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