Der Aufbau einer Lerngemeinschaft
Nachdem der Zirkus-Workshop in Barrio Mosconi war, ist er nach El Dique gezogen. El Dique ist ein weiterer armer Stadtteil im Bezirk Ensenada. Jetzt, da ich in beiden Stadtteilen gewesen bin, kann ich sagen, dass die Lebensbedingungen in El Dique noch dramatischer sind: illegal gebaut Häuser und überall verdreckte Straßen. Die Direktorin der Grundschule in Barrio Mosconi hatte uns schon davon erzählt und sie sagte auch, dass in El Dique viel mehr Menschen leben. Daher gibt es dort auch ein „Community Integration Center“ – ein Integrationszentrum, das die Regierung aufgebaut hat. Dort kümmert man sich um Gesundheitsfragen, soziale Entwicklung, Kunstprojekte, Bildung und Sport. Und dort haben dann auch unsere Zirkuskurse stattgefunden.
Ich denke, dass es wichtig ist über diese Orte zu sprechen. Ich denke oft, dass ich so leidenschaftlich gerne lerne, weil ich das Glück hatte, immer Anregungen zu bekommen und auch herausgefordert zu werden. Bei uns zu Hause hat es mir an Nichts gefehlt. Ich habe immer Unterstützung gefunden. Als ich mich das erste Mal mit den Mitarbeitern vom Integrationszentrum in El Dique unterhalten habe, haben sie mir davon berichtet, was ihre Aufgaben sind: Sie unterstützen die Kinder emotional, versuchen sie herauszufordern und dazu zu motivieren eine Ausbildung zu beginnen.
Den Kinder und Teenager, die aus sozial schwachen Familien stammen, fehlt es nicht nur an Interesse an der Schule, sondern sie wollen gar nicht lernen, um irgendwas an ihren Lebensumständen zu verbessern. Meistens sind ihre Eltern bildungsfern und arbeitslos. Eine Situation, die sich dann wie in einem Teufelskreis wiederholt. Und die wirtschaftliche Lage macht es nicht gerade besser. Sie fragen sich dann natürlich, warum sie überhaupt lernen sollen, wenn sie danach eh keine Jobs finden. Und warum sollte es bei ihnen besser funktionieren, als bei ihren Eltern? Es ist wirklich schwer, jemanden, der so ein schweres Schicksal hat, davon zu überzeugen, dass sich die Dinge auch ändern können.
Genau aus diesem Grund, schätze ich die Arbeit des Integrationszentrums sehr. Ich hatte einmal die Möglichkeit mich
mit Valeria vor Ort zu unterhalten. Sie ist die Koordinatorin eines Programms mit dem Namen „El Envion“. Dort will man den Kindern einen kleinen Anstoß geben, etwas zu verändern. Valeria sagt, dass sie sich bemühen, interessante Aktivitäten anzubieten: Fotografieren sei sehr beliebt. Die Zirkuskurse seien der Renner. Aber auch die Malerei werde gut angenommen. „Wir unterstützen sie auch in ihren Schulfächern, so wie Mathe oder Sprachen“, erzählt Valeria. Manche der Kids wollen für die Kurse sogar die Schule schwänzen, aber Valeria erklärt ihnen dann, dass die Schule sehr wichtig ist. „Wir sind einfach für die Kinder da und versuchen sie zu motivieren. Aber am Wichtigsten ist, dass die Kinder nicht die Schule sausen lassen. Wenn sie mit der Schule fertig sind, holen wir einen Ausbildungsberater dazu und sprechen über ihre Zukunftswünsche.“ Valeria ist wirklich sehr engagiert.
Auch ich kann sagen: Wenn die Kinder motiviert werden, dann lernen sie auch. Wenn sie Unterstützung finden, dann gehen sie auch den nächsten Schritt. Aber was, wenn die Kinder völlig alleine sind? Wenn sie keine zu Hause haben? Wenn sie keine Familie haben? Wie sieht die Situation in euren Ländern aus?