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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Das Schlüsselwort meiner Generation: Flexibilität

Meinen Freundinnen und ich: Auf anderen Wegen als unsere Eltern

In ihrem letzten Eintrag hat Emmy  geschrieben, dass immer mehr Qualifikationen auf dem kenianischen Arbeitsmarkt gefordert werden. Man kann die Situation in Kenia nicht mit der in Deutschland gleichsetzen, aber auch hier werden immer mehr Qualifikationen von uns jungen Menschen verlangt − und viele bringen sie auch mit. Ich habe letztens mit meinen Freundinnen darüber gesprochen, wie sich unsere Ausbildung, unser Leben verändert hat – verglichen mit unseren Eltern. Wir Mädels sind seit Jahren befreundet und gingen teils schon zusammen in den Kindergarten. Also erlebten wir auch das deutsche Schulsystem gemeinsam.

 Von uns sieben haben fünf direkt ein Abitur an einem Gymnasium gemacht und anschließend an der Uni studiert. Zwei gingen zuerst auf eine Realschule, holten dann ihr Abi – aber an einem Wirtschaftsgymnasium – nach. Anschließend machten sie eine Ausbildung. Eine der beiden studiert jetzt neben ihrer Arbeit am Wochenende. Unsere Eltern haben meist nicht studiert. So sind vier von uns die ersten in ihrer Familie, die studieren. Das ist aber nicht die Regel in Deutschland: Von 100 Kindern, deren Eltern nicht studiert haben, beginnen 24 ein Studium; von 100 Akademikerkindern 71. Doch unser Studium ist nicht das einzige, was uns von unseren Eltern in Sachen Bildung unterscheidet: Sechs von uns haben schon einmal für längere Zeit im Ausland studiert oder auf Reisen in Aushilfsjobs gearbeitet (hierüber hat auch Pavel geschrieben). Kein Wunder, dass wir recht gut Englisch sprechen.

 Unsere Eltern hingegen können überwiegend sehr wenig Englisch. Aber sie brauchten es auch nicht, um trotzdem im Job erfolgreich zu sein. Oft haben unsere Väter genug Geld verdient, um ihre Familien zu ernähren, so dass fünf unserer Mütter auf einen Vollzeitjob verzichtet haben und uns Kinder erzogen.

 Während wir uns weiterbilden, Zeit im Ausland verbringen und unsere Freizeit planen, hatten unsere Eltern in unserem Alter ganz andere Sorgen − vor allem diejenigen, die nicht studierten. Mein Vater hatte in meinem Alter schon ein Haus gekauft. Meine Mutter gerade ihr zweites Kind bekommen, ihr erstes, ich nämlich, war schon vier Jahre alt. So viel Verantwortung trägt keine von uns sieben. Wir alle sind noch unverheiratet und haben weder Kinder noch Haus.

Wir haben gelernt, flexibel und mobil zu sein

Wie sollten wir auch ein Haus bauen? Flexibel sollen wir jungen Arbeitskräfte sein und örtlich ungebunden. Eine meiner Freundinnen bekam zum Beispiel zu Beginn ihres Referendariats gesagt, dass bei der Wahl des späteren Arbeitsorts nicht darauf Rücksicht genommen werde, ob die zukünftigen Lehrer bereits ein Haus hätten. Die Referendare sollten sich darauf einstellen, dort eingesetzt zu werden, wo sie gebraucht werden. Natürlich sieht das in der freien Wirtschaft nicht wirklich anders aus. Zumindest kann man seinen Arbeitgeber aber freier wählen.

Ich möchte das auf keinen Fall schlechtreden. Wir freuen uns über diese Freiheiten, die uns auch unsere Eltern ermöglicht haben. Es ist toll, fließend Englisch zu sprechen und bereits an verschiedenen Orten der Welt gelebt zu haben. Gleichzeitig ist es erstaunlich, wie sehr sich unsere Lebensplanung von der unserer Eltern unterscheidet, mit wie viel mehr unbekannten Variablen wir umgehen. Dachten unsere Eltern schon mit Mitte 20, dass sie in dem kleinen Ort alt werden würden, in dessen Nähe sie auch geboren worden waren, wissen wir zum Teil noch nicht ein mal, was uns die nächsten fünf Jahre bringen. So scheint es mir, als seien es nicht nur höhere Qualifikationen, die heute auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind,  sondern auch mehr Flexibilität.

Datum

Montag, 04.06.2012 | 14:49

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