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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Gut gedacht – schlecht gemacht!

Endlich gehen auch mehr Mädchen zur Schule

Anfang 2003 hat die kenianische Regierung eine Neuerung im Bildungsprogramm eingeführt:  FPE – Free Primary Education. Schulgebühren für die öffentlichen Grundschulen und  die weiterführenden Schulen wurden abgeschafft. Eltern und Lehrer waren  begeistert. Endlich hatte die Regierung etwas für ihre Bürger getan – endlich konnten alle Kinder zur Schule gehen. Nur die Schuluniform musste noch gekauft werden.

Plötzlich wurden auch mehr Mädchen eingeschult. Die Eltern konnten nicht mehr sagen, dass ihnen das Geld fehlt, um die Schulgebühren zu bezahlen, oder dass ihnen die Gebühren zu hoch sind. Die Regierung hat gleichzeitig Informations-Kampagnen durchgeführt und die Eltern aufgefordert, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Die Zahl der Einschulungen ist also gestiegen.

Als Folge dieses  Zustroms sind die öffentlichen Schulen auf einmal sehr voll geworden. Die Zahl und die Größe der Klassenzimmer blieben allerdings gleich und es  gab auch kein zusätzliches Lehrpersonal. An „Details“ hatte scheinbar niemand gedacht. Vielleicht hatte die Regierung auch einfach nicht erwartet, dass so viele begeisterte Eltern ihre Kinder zur Schule schicken würden.

Nach der Reform: Anstieg der Klassengröße

So hat die Reform also eine Menge Nachteile gebracht. Das muss man sich mal vorstellen: Ein Lehrer auf 40 Kinder! Natürlich leidet die Qualität darunter. Das Lehrpersonal war auch nicht darauf vorbereitet, Kinder zu unterrichten, deren Wissenstand grundverschieden war. Schüler, die niemals zuvor eine Schule besucht hatten wurden gemeinsam mit Kindern unterrichtet, die ein fundiertes Vorwissen hatten.  Eine gutes Beispiel ist der älteste Schüler der Welt, Kimani Maruge, der sich wegen des kostenfreien Zugangs mit 84 Jahren einschulen ließ und die Schulbank gemeinsam mit Kindern drückte,  die seine Urenkel hätten sein können. Es gibt sogar ein Film über ihn: http://www.thefirstgrader-themovie.com/trailer/

Einen unerwarteten Effekt, den der Wegfall der Schulgebühren ausgelöst hat –  und mit dem die Regierung meiner Meinung nach auch nicht gerechnet hat -, ist die Zunahme an privaten Schulen.  Privatschulen haben einen regen Zulauf bekommen, weil viele Eltern sich um die Qualität der Schulbildung Sorgen machen, seit die Schulgebühren weggefallen sind. Wer genug Geld hat, schickt seine Kinder lieber auf Privatschulen – und die sind wegen der gestiegenen Nachfrage sehr teuer geworden, fast unbezahlbar.

Aber auch das Bildungsangebot der öffentlichen Schulen ist nicht ganz kostenfrei – haben die Eltern der Schulkinder herausgefunden. Es gibt versteckte Kosten, die einfach nicht als Schulgebühren deklariert werden, die aber die Bemühungen der Regierung torpedieren.

All das hat zu interessanten Diskussionen geführt, nicht nur unter Eltern, Schülern und Lehrern.  Fragen über Gleichheit und den Zugang zu Bildung werden in der Öffentlichkeit nun anders gestellt. Es geht nicht mehr vorrangig um Geschlechtergerechtigkeit, sondern auch um die Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Schichten. Einen Zugang zu Bildung gibt es für alle, aber wie steht es um die Qualität der Bildung?

Klar, dieses Thema ist umstritten und noch lange nicht ausdiskutiert. Was sich aber sagen lässt: Die Reform hat einen guten Ansatz – die Umsetzung ist allerdings schlecht gelungen!

Datum

Donnerstag, 14.06.2012 | 11:55

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