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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Russische Uni-Rankings: Wozu eigentlich?

Weit weg von den Großstädten und Russlands eliten Unis...

In dieser Woche bekomme ich meinen Uniabschluss – also noch ein weiterer Schritt in meiner Hochschulbildung, die ich in 2006 begonnen habe. Ich denke viel darüber nach, was diese Jahre für mich bedeutet haben, insbesondere die Entscheidung meine ursprüngliche Uni zu verlassen, um woanders zu studieren.

Vor einigen Wochen habe ich einen interessanten Kommentar in einer Wirtschaftszeitung gelesen, wo der angesehene Ökonom Konstantin Sonin das Thema Uni-Rankings angesprochen hat. Mich hat erstaunt, dass der Professor nach einem Vergleich der russischen und ausländischen Bildungssysteme behauptet hat, russische Uni-Rankings seien mehr oder weniger bedeutungslos! Das läge daran, dass die meisten Fakultäten in unserem Land den Studenten nur eine sehr bestimmte und begrenzte Anzahl an Kursen und Fachrichtungen anbieten, während Studenten im Ausland ein viel breiteres Angebot haben. Das erlaubt ihnen zum Beispiel ihre Interessen besser ins Studium einzubringen und hilft  ihnen beim Übergang ins Berufsleben. Kathrin hat betont, wie wichtig diese Art Flexibilität gerade für junge Leute ist.
 
Wenn ich meine Uni 2008 nicht gewechselt hätte, wäre mir der Artikel wohl nicht aufgefallen. Aber selbst 3.5 Jahre später kann ich mich noch gut daran erinnern, wie andere mich ständig mit den gleichen Fragen genervt haben: Warum hast du das gemacht? Bist du mit dem Studienangebot in Smolensk nicht unzufrieden? Generell habe ich geantwortet, ‚Es mag sein, dass du Recht hast, aber tust du etwas dagegen anstatt einfach nur zu meckern und anderen Angst zu machen?‘ Ich meine, auf der einen Seite war ich ja wirklich selbst unzufrieden, aber das kann auch eine große  Motivation sein. Entweder akzeptierst du die ganze Bürokratie und Trägheit hier (die meisten regionalen Unis haben zum Beispiel hohe Anforderungen an die Anwesenheitspflicht – auch bei wirklich sinnlosen Vorlesungen, wo man besser zu Hause die Inhalte lernen könnte), oder man setzt sich für neue Modelle ein. So eins habe ich hier im Blog ja vorgeschlagen.

Wie geht mein Bildungsweg jetzt weiter?

Ein neuer, offener Ansatz wäre nicht nur für Unis und Schulen sinnvoll. Es könnte auch das kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben in Russland im Allgemeinen verbessern, und es könnte auch helfen, einige Klischees abzubauen. Jetzt haben wir noch zu viele Vorurteile Menschen gegenüber, die anders sind. Ich denke dabei an eine Freundin Nadin, die über Mode und ähnliche Sachen bloggt – und dabei sehr populär ist. Sie liebt den Austausch mit Leuten aus der ganzen Welt. Da sie im Rollstuhl sitzt, wird ihr immer wieder ganz viel Mitleid entgegengebracht – ob offen oder versteckt – und ich finde das echt ziemlich verkehrt! Ein einfaches Beispiel erläutert vielleicht warum: Stell dir einen Menschen vor, der einen großen Stapel Bücher trägt und sich einer geschlossenen Tür nähert. Was wäre besser – wenn du einfach da stehenbleibst und Mitleid mit ihm hast, weil der Mensch so eine schwere Last zu tragen hat, oder wenn du ihm die Tür öffnest und bekommst dafür ein Lächeln zum Dank?

Außerdem können wir Vorurteile reduzieren, indem wir Austauschprogramme für Studenten ausweiten, und die landeseigenen Unis attraktiver für ausländische Studenten gestalten. Emmy hat das in ihrem letzten Eintrag angesprochen. Wie sehr das den Unis und der Bildung im Land nützen kann, wird häufig unterschätzt.
Diese ganzen Klischees über andere Länder, andere Ethnizitäten oder Behinderte erinnern mich an Francis Bacon und seine Lehre über Idole. Mir scheint: Je gebildeter eine Nation ist, desto weniger „Idole“ hat sie. Wenn wir diese starren, unbeweglichen Einstellungen aus dem Weg schaffen, dann bekommen wir dadurch mehr Möglichkeiten für nachhaltige Entwicklung und Wohlstand.

Datum

Freitag, 06.07.2012 | 12:07

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