Frauen in Spitzenpositionen unterbesetzt
Letzte Woche habe ich mich mit einer Freundin getroffen, die vor kurzem ins Berufsleben eingestiegen ist. Sie erzählte mir davon, dass ihre neue Chefin ihr gesagt hatte, dass bei ihrer Einstellung männliche Kollegen skeptisch waren. Meine Freundin ist 30 Jahre alt. Die Herren im Unternehmen hatten Angst, dass sie nur kurze Zeit arbeitet, dann schwanger wird und in die Elternzeit geht.
Zum Glück hat ihre Chefin sich durchgesetzt, sonst hätte womöglich ein männlicher Bewerber den Job bekommen, nur weil er ein Mann ist und selbst nicht schwanger werden kann.
Es ärgert mich, dass es immer noch dieses Denken gibt. Dass automatisch davon ausgegangen wird, dass Männer sich keine Auszeit nehmen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Während es auf der anderen Seite selbstverständlich zu sein scheint, dass junge Frauen Kinder bekommen und auch nach dem Mutterschutz zu Hause bleiben möchten.
Obwohl in Deutschland die meisten Hochschulabsolventen weiblich sind, packen es noch immer nur wenige Frauen in Spitzenpositionen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Nur acht Vorstandspositionen der DAX30-Unternehmen, also der 30 größten an der Frankfurter Börse notierten deutschen Unternehmen, sind mit Frauen besetzt. Gleichzeitig wird viel Geld in die gezielte Förderung von Frauen gesteckt. Zum Beispiel gibt es Programme, die Mädchen Spaß an naturwissenschaftlichen Fächern vermitteln sollen. Oder einen sogenannten Girls‘ Day, an dem Schülerinnen einen Tag lang in männlich dominierte Berufsfeldern arbeiten. Viele Stipendienprogramme achten darauf, dass 50 Prozent der Geförderten weiblich sind. So hatte ich in meiner Erfahrung mit dem deutschen Bildungssystem nie das Gefühl, wegen meines Geschlechts diskriminiert zu werden.
Aber was hilft das, wenn es beim Berufseinstieg tatsächlich ungleich zugeht? Wenn Frauen auch anschließend weniger Karrierechancen offenstehen? Oder wenn sich Frauen gegen eine Karriere im bestehenden System entscheiden, da sie gerne Mutter sein wollen und nicht 24 Stunden täglich für ihren Arbeitgeber verfügbar sein möchten? Warum funktioniert es in anderen Ländern besser? Wie haben beispielsweise norwegische Unternehmen eine Arbeitskultur hinbekommen, in der viele Frauen an der Spitze von Unternehmen stehen? Ist die norwegische Quote für Aufsichtsräte eine Antwort?
Deutsche Unternehmen versuchen, etwas zu ändern, in dem sie selbst eine Frauenquote für Führungspositionen einführen: Die Deutsche Telekom AG hat sich selbstverpflichtet, bis 2015 30 Prozent der Posten im oberen und mittleren Management mit Frauen zu besetzen. Begleitend werden umfangreiche Maßnahmen ergriffen: Es werden betriebliche Kindertagesstätten eingerichtet, weibliche Talentpools aufgebaut, Schulungen zu Kommunikation in gemischten Teams angeboten. Doch viele Frauen stellen sich gegen die Quote. Sie wollen aufgrund ihrer Leistung, nicht aufgrund ihres Geschlechts, gefördert werden. Sie haben Angst, als „Quotenfrau“ zu gelten. Ich denke, dass eine Quote dazu beitragen kann, einen Kulturwandel in unserer Gesellschaft und unseren Unternehmen voranzutreiben. Allein genügt sie aber nicht, ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen und vor allem auch Männer frei entscheiden können, wie sie ihr Leben und ihre Karriere gestalten möchten – mit oder ohne Familie. Nur dann kann tatsächlich die Leistung über einen Karriere entscheiden – und nicht das Geschlecht.