Musiker, Lehrer oder beides?
Wenn man im fünften Studienjahr ist, muss man an einer Grundschule oder einem Kindergarten einige Lehreinheiten geben. Einen guten Monat lang unterrichtet man dort, und immer wieder kommen unsere Dozenten und Lehrer in die Klassen, um unsere Lehrmethoden zu bewerten. Es ist besonders wichtig, dass wir die Klassen vorbereiten und auch Tests ansetzen, damit sie sehen können, was wir in den vergangenen Jahren an der Uni gelernt haben. Was allerdings ein bisschen verwirrend ist, ist, dass man von uns verlangt, gute Lehrer zu sein und gleichzeitig aber auch gute Musiker.
Es macht Spaß, das was man gelernt hat, weiterzuvermitteln. Aber wir lernen sehr wenig Theorie und auch keine Lehrmethoden. Das gehört nicht in unser Bildungskonzept. Und so kommt es dann dazu, dass jeder von uns andere Themen unterrichtet – und das auf unterschiedliche Art und Weise.
Daher kommt es oft zu Missverständnissen zwischen der Hochschule und dem Bildungsministerium: Sie müssten sich mal endlich einig darüber werden, was sie von uns wollen. Das Ministerium wünscht sich gut ausgebildete Lehrer, die Hochschule will beides – Lehrer und Musiker, hat aber dafür und davon keinen richtigen Plan.
Ich habe mit zwei meiner Freunde darüber gesprochen. Lana ist 22 Jahre alt und spielt Querflöte. 2010 hat sie ihren Abschluss gemacht. Sie hat mir davon erzählt, dass sie heil froh war, dass ihre Familie sie nicht davon abgehalten hat, Musik zu studieren. Als sie allerdings im dritten Jahr war, hat sie sich an der Hochschule gelangweilt. Sie hatte eine andere Vorstellung von ihrem Studium der Musik „Ich verstehe nicht, warum ich noch so viele andere Fächer, wie Sprachen, belegen muss. Wozu brauche ich das, wenn ich doch eh Musikerin werden will?“, sagte Lana zu mir. Über ihre Zeit im Kindergarten erzählte sie mir dann, dass sie alles in einer Person war. Sie musste mit den Kindern musizieren, ihnen vorlesen, sie zum Sport animieren und natürlich auf sie aufpassen. „Ich hatte keine Probleme damit, das alles zu tun“, sagte Lana. „Aber das ist eigentlich nicht mein Job.“ Trotzdem sei sie ganz glücklich dort gewesen, denn die Kinder seien so zufrieden gewesen. Letztendlich ist Lana jetzt aber auch Mitglied im „Ranya Symphony Orchestra“.
Ein anderes Mädchen, dessen Namen ich nicht nennen darf, erzählte mir, dass ihre Familie einverstanden war mit ihrem Musikstudium. Das sei alles kein Problem. Aber als es dann das erste Mal darum ging, dass sie mit der Uni in eine andere Stadt reisen sollte, seien ihre Eltern strikt dagegen gewesen. Sie musste zu Hause bleiben. Dafür habe sie sich sehr geschämt. Sie hat dann vorgetäuscht krank zu sein und deshalb nicht mitfahren zu können. Ihre Familie habe sie zunehmend von allen musikalischen Aktivitäten ferngehalten, obwohl sie eigentlich dem Studium zugestimmt hatten. Leider hat sie dann auch einen schlechten Abschluss gemacht.
Wir Künstler sind froh darüber, wenn wir das Interesse anderer Menschen an der Kunst und der Musik wecken können. Ich würde mir nur wünschen, dass noch mehr Frauen die Möglichkeit dazu bekommen.