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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Manchmal reicht das Geld einfach nicht – und dann muss Hilfe her

Kathrin Biegner

Viele Studenten brauchen einfach finanzielle Unterstützung

In meinem letzten Eintrag habe ich darüber geschrieben, warum ich mich dazu entschieden habe, die Mainzer Gruppe von ArbeiterKind.de zu gründen. Heute möchte ich euch von meinen Erfahrungen erzählen, die ich durch dieses Ehrenamt und durch einige Freunde gemacht habe.

„Ich habe ihnen nicht erzählt, dass ich BaföG beziehe. Und ich habe mich so furchtbar gefühlt, als sie angefangen haben, auf ‚all diese Schmarotzer, die dem Staat nur Geld wegnehmen‘, zu schimpfen.“ Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie mir eine Freundin von dieser Situation erzählte. Ich konnte ihr ansehen, wie sehr sie die Beschimpfungen ihrer Kommilitoninnen verletzt hatten. Meine Freundin ist eine hart arbeitende junge Frau, die immer neben ihrem Studium gearbeitet hat. Aber sie konnte einfach nicht so viel Geld verdienen, um für all ihre Ausgaben aufzukommen. Deshalb hatte sie BaföG beantragt und erhielt ein wenig finanzielle Unterstützung vom Staat. Sie wollte niemanden betrügen; sie brauchte einfach das Geld. Ihre Familie konnte ihr das Studium nicht finanzieren.

„Das größte Problem ist, dass viele Menschen gar nicht wissen, wie viele Informationen man an das Bafög-Amt geben muss, um das Geld zu erhalten“, erzählte mir meine Freundin. Durch meine Arbeit für ArbeiterKind.de wusste ich, was sie meinte: Man muss Berge von Papier ausfüllen und muss alles mit offiziellen Dokumenten belegen, die nachweisen, dass man selbst und seine Eltern nicht mehr verdienen oder gespart haben, als es erlaubt ist. Diese Situation ist besonders schwierig für Studierende, die keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern haben. Die Behörden akzeptieren in der Regel keine fehlenden Dokumente und es kann sehr belastend für junge Menschen sein, zu versuchen, wieder den Kontakt mit der Familie aufzubauen.

Wenn wir mit ArbeiterKind.de an Schulen sind, fragen uns viele Schülerinnen und Schüler, mit wie viel BaföG sie rechnen können. Wir können ihnen das nicht sagen. Es gibt zwar einen Online-Rechner, aber die rechtlichen Regeln, mit denen der persönliche BaföG-Satz errechnet wird, sind sehr kompliziert. Daher weiß man nie sicher, ob man das Darlehen erhält oder nicht – und auch nicht, wie viel Geld man erhält. Der maximale Monatsbetrag liegt bei 670 Euro. Je nach dem, in welcher Stadt man wohnt, ist auch das noch wenig. Außerdem dauert es oft sehr lange von der Antragsstellung bis zum Entscheid. In der Zwischenzeit bekommt man kein Geld. Das ist eine furchtbare Situation für junge Erwachsene, die auf dieses Geld angewiesen sind.

Wenn man Bafög bezieht, muss man viele Nachweise erbringen

Was wir in unseren Gesprächen mit Eltern und Schülern, die sich mit dem BaföG-System nicht auskennen, bemerken, ist, dass viele Angst davor haben, Schulden zu machen. Wir erklären ihnen, dass man nur die Hälfte des Darlehens zurückzahlen muss und dass es keine Zinsen gibt. Martin, einer unserer Mentoren von ArbeiterKind.de, erklärt es immer so: „Von jedem Euro, den ihr von eurem BaföG-Geld ausgebt, sind 50 Cent geschenkt. Also seid nicht dumm: Wenn ihr in einer finanziell schwierigen Lage seid, beantragt diese finanzielle Unterstützung.“ Während er das erklärt, zeichnet er immer einen Kreis und teilt ihn in zwei Hälften, um zu symbolisieren, wie viel man zurückzahlen muss und wie viel man erlassen bekommt.

Eine andere Sache, die viele Eltern und selbst Lehrer nicht wissen, ist, dass auch Schüler BaföG bekommen können. Deshalb mache ich bei Schulvorträgen immer darauf aufmerksam. BaföG ist eine hervorragende Möglichkeit, um Unterstützung zu erhalten – aber wie bei Stipendien und anderen Unterstützungsleistungen wissen oft diejenigen, die sie am meisten bräuchten, nichts darüber, machen sich unnötige Gedanken oder haben falsche Infos. Mit ArbeiterKind.de versuchen wir gegen dieses Informationsdefizit anzugehen und Menschen zu unterstützen, die in der unangenehmen Situation sind, Hilfe vom Staat zu beantragen.

Datum

Montag, 18.06.2012 | 12:23

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