Warum es so schwer ist, Medienkompetenz zu vermitteln
Meine erste Veranstaltung beim Global Media Forum in Bonn stand unter dem Titel „Medien zwischen ERfolgsdruck und Bildungsauftrag“. Eine vielversprechende Diskussion mit Podiumsteilnehmern aus den USA, Deutschland, Russland und Südafrika.
Am eindrucksvollsten fand ich Trevor Ncube, er ist unter anderem stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Mail and Guardian in Südafrika. Wenn man in Medien keine Afrikaner berücksichtigt, dann ist das irreführende Information, das war seine Grundthese.
Wir hatten vor dem Beginn der Diskussion ein Video gesehen, das „Farben“ hieß. Da kam eine ganze Reihe von Menschen verschiedener Nationalitäten vor, die einfach sagten, aus welchem Land sie kommen. Eigentlich sollte der Film ja universell sein – aber da waren gar keine Afrikaner dabei! Und dann fragte Trevor das Publikum: „Na, wer hat gemerkt, was in diesem Video nicht in Ordnung ist?“ Immerhin leben in Afrika eine Milliarde Menschen! „Stimmt“, dachte ich bei mir. Und dann fiel mir auf: „In dem Video waren ja auch keine Lateinamerikaner!“
Diese audiovisuelle Präsentation war nicht das einzige, wozu er kritische Anmerkungen hatte. Er stellte auch die Rolle der Medien beim Thema Bildung in Frage: „Es ist anmaßend zu sagen, dass die Medien eine Rolle bei der Bildung spielen. Ich gehe immer von der Prämisse aus, dass mein Publikum gebildeter ist als ich.“ Seiner Meinung nach müssen Medien engagiert und relevant für ihr Publikum sein, sie müssen hochwertigen Inhalt liefern, Analysen und intelligente Kommentare. Und weil es schwierig ist, eine klare Trennlinie zu ziehen zwischen Bildung und Propaganda, findet es Trevor ziemlich problematisch zu sagen, dass Medien einer solchen Bildungsrolle gerecht werden sollten. Seine Ansichten konnte ich gut nachvollziehen.
Seit ich in meinem letzten Studienjahr am Salzburger Global Seminar on Media and Global Change teilgenommen habe, beschäftigt mich die Frage, wie ich das, was ich dort gelernt habe, anderen weitergeben kann. Auf eben diesem Seminar habe ich zum ersten Mal etwas über Medienkompetenz gehört – und auch darüber, wie man diese Informationen anderen auf systematische Art und Weise vermitteln kann. Seitdem halte ich Medienkompetenz für ein Fach, das man Teenagern in weiterführenden Schulen nahebringen sollte. Ich finde, dass Menschen schon von Klein auf Bewusstsein dafür entwickeln sollten, wie Medien funktionieren. Ich hatte die Idee, einen Workshop für ein Gymnasium in meiner Nachbarschaft zu konzipieren.
Trevors Fragen haben viele weitere Fragen aufgeworfen. Sind Menschen in Argentinien, die Zeitungen lesen und fernsehen, tatsächlich gebildeter als Journalisten? Die Wahrheit ist: Es hängt alles davon ab, welches Fragment Wirklichkeit man gerade anschaut. In meinem Land gehen Gesellschaftsschichten, die unter Armut leiden, jetzt schon in die dritte Generation. Hier herrscht mangelhafte Ausbildung, Arbeitslosigkeit und eine hohe Schulabbrecherquote.
Und es findet eine Art Geschichtsklitterung zugunsten der Regierungspartei statt – wir nennen das „Wiedererfinden der Geschichte“, wenn also Menschen historische Fakten manipulieren, je nach dem, was ihnen gerade passt. In diesem Prozess spielen zwei Faktoren eine große Rolle: Politiker (durch öffentliche Reden) und nationale Medien. Ich höre lieber alle Seiten einer Geschichte, um mir dann selbst eine Meinung zu bilden. Und dabei bin ich mir natürlich der Erfahrung bewusst, die ich durch meinen höheren Bildungsabschluss bekommen habe. Aber was ist mit den Menschen, die vielleicht nicht einmal die Mittelschule ordentlich abgeschlossen haben? Können Sie begreifen, wann nicht die Wahrheit erzählt wird?
Ich denke, wenn man das Bewusstsein für solche Sachen schärft, arbeitet man auch auf eine bessere Lebensqualität hin. Wer lernt unabhängig zu denken, ist stärker. Vielleicht lautet die Antwort, die ich suchte: Ich darf nicht die Idee des Faches Medienkompetenz wieder in der Schublade verschwinden lassen, bloß weil ich Angst habe, das Wissen nicht weitergeben zu können. Stattdessen muss ich mir stets die Interessen anderer Menschen vor Augen führen – und nicht meine eigenen.