Zeitraubend und Furcht einflößend
Umsonst gespurt. „Es hat heute den ganzen Tag über geschneit“, berichtet Ralf Dujmovits aus dem Basislager auf der Diamir-Seite des Nanga Parbat. „Wir haben sicher zwischen 35 und 40 Zentimeter Neuschnee.“ Auf dem Weg zum Toilettenzelt sei er in eine Schneewehe gerutscht und habe Mühe gehabt, wieder herauszukommen. Ralf und sein polnischer Gefährte Darek Zaluski wissen, dass sie ihren Weg hinauf zum gestern angelegten Depot auf 5500 Metern wieder komplett neu spuren müssen. Der Neuschnee erhöht zudem die Lawinengefahr. „Wenn der Wind den Schnee nicht rausbläst, ist da gar nichts zu machen.“
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Saugefährlich
Das war nichts für schwache Nerven. „Wir haben zwei große Schneebretter abgetreten“, erzählt Ralf Dujmovits via Satellitentelefon nach seiner Rückkehr ins Basislager. Dann sei auch noch eine große Lawine abgegangen. „Das hat Darek den Rest gegeben.“ Sein polnischer Freund Dariusz Zaluski sei ziemlich bedient, er habe sich direkt ins Zelt zurückgezogen. Nach der Zeltnacht auf 4900 Metern waren die beiden durch den Eisbruch in die Messner-Route eingestiegen. „Wir sind gut vorangekommen“, sagt Ralf. „Auf 5500 Metern haben wir ein Depot angelegt, die Stelle taugt auch als Lagerplatz.“
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Stürmische Zeiten
Schon bevor Ralf das erste Wort ins Satellitentelefon spricht, weiß ich, in welchem Wetter er und Darek stecken. Der Wind rüttelt und zerrt am kleinen Zelt. Ein Hintergrundgeräusch, das niemand vergisst, der es schon einmal erlebt hat. Ralf Dujmovits und Darek Zaluski haben ihr Zelt auf einer Höhe von etwa 4900 Metern aufgeschlagen, unterhalb vom üblichen Lagerplatz eins der Kinshofer-Route, dort wo der Weg auf die Messner-Route abzweigt. „Es war gar nicht so leicht, das Zelt bei diesem Sturm aufzubauen“, sagt Ralf. „Da kam uns unsere Erfahrung aus vielen Expeditionen zugute.“
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Abwarten und Tee trinken
Es gehört zum Wesen von Plänen, dass man sie zuweilen über den Haufen werfen muss. Eigentlich wollten Ralf Dujmovits und Darek Zaluski heute wieder in die Diamir-Flanke des Nanga Parbat einsteigen, um auf einer Höhe von 4850 Metern zu biwakieren und von dort aus nach einem ersten Lagerplatz auf der Messner-Route zu suchen. Doch daraus wurde nichts. Als sich die beiden am Morgen zur verabredeten Stunde trafen, um aufzubrechen, signalisierte Darek, dass es besser sei, wenn er im Basislager bleibe. Ein Magen-Darm-Virus hat den Polen erwischt, Diät mit Reis und Tee ist angesagt. „Inzwischen geht es ihm schon deutlich besser“, erzählt Ralf am Abend (in Pakistan) per Satellitentelefon. „Wenn das Wetter mitspielt, könnten wir morgen aufsteigen.“
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Viel Blankeis
Eine Winterexpedition ist nichts für Warmduscher. Minus 18 Grad Celsius zeigte das Thermometer von Ralf Dujmovits im Basislager auf der Diamir-Seite des Nanga Parbat. Nicht draußen, sondern im Zelt. „Wir haben hier im Basislager gerade einmal zweieinhalb Stunden Sonne pro Tag“, sagt Ralf Dujmovits. Da bleibe kaum Zeit, den Computer und das Satellitenmodem auf Betriebstemperatur zu bringen. Ralf und Darek Zaluski sind von ihrer ersten Erkundungstour im unteren Gletscherbereich zurückgekehrt. „Das war brutale Spurarbeit“, berichtet Ralf. „Obenauf lag Pulverschnee, darunter eine harte Altschneeoberfläche. Häufig brach diese Decke, wenn ich drauftrat.“ Die meiste Zeit habe er gespurt, weil Darek noch nicht so gut akklimatisiert sei.
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Erinnerung an Anschlag ständig präsent
Sollte es noch Spuren des Mordanschlags geben, sieht man sie nicht. Im Basislager auf der Diamir-Seite des Nanga Parbat, wo Terroristen im Sommer elf Bergsteiger erschossen hatten, stehen keine alten Zelte mehr. Der Platz liegt unter einen etwa 70 Zentimeter dicken Schneedecke. „Wir haben uns heute durch einen halben Meter Neuschnee wühlen müssen“, erzählt Ralf Dujmovits per Satellitentelefon, eine Stunde nachdem er mit dem Polen Darek Zaluski, ihrem Koch Essan, dem Hilfskoch Karim und den ersten der 30 Träger im Basislager eingetroffen ist. „Die Träger wollen wegen der klirrenden Kälte nur noch schnell ihr Trinkgeld in Empfang nehmen und dann sofort wieder zurückkehren.“ Eine ursprünglich direkt nach der Ankunft geplante kleine Zeremonie für die Opfer des Anschlags musste wegen der widrigen Wetterverhältnisse verschoben werden.
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Mit der Kalaschnikow im Anschlag
Sicherheit wird groß geschrieben am Nanga Parbat. „Wir hatten die gesamte Zeit auf dem Karakorum-Highway eine Polizei-Eskorte“, sagt Ralf Dujmovits. „Vor und hinter uns fuhren ständig Pickups, auf deren Ladeflächen je zwei Polizisten auf Bänken saßen. Sie hielten ihre Kalaschnikows im Anschlag.“ Ralf ruft mich aus Chilas an, einer kleinen Stadt am Indus, etwa 50 Kilometer Luftlinie vom Achttausender Nanga Parbat entfernt. Weil das Gepäck seines polnischen Begleiters Darek Zaluski nicht rechtzeitig eingetroffen war, hatten sie einen Tag länger als ursprünglich geplant in Islamabad bleiben müssen. Am Samstag wollen Ralf und Darek die Lasten an ihre Träger verteilen, die sich dann auch schon auf den Weg Richtung Diamir-Basislager machen sollen. „Ich werde wohl morgen noch in Chilas bleiben, weil ich noch einige Formalitäten erledigen muss“, sagt Ralf. „Aber wenn alles nach Plan läuft, werden wir wohl in drei Tagen im Basislager eintreffen.“
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Dujmovits: Ab 5000 Metern alleine unterwegs
Schnell und allein. Das ist die Taktik, die sich Ralf Dujmovits für seine Winterbesteigung des Nanga Parbat vorgenommen hat. Der Bergsteiger, der als erster Deutscher auf allen 14 Achttausendern stand, wählte eine ungewöhnliche Form, um sich zu akklimatisieren: Der 52-Jährige bestieg den Aconcagua, den höchsten Berg Südamerikas, und verbrachte auch zwei Nächte am 6962 Meter hohen Gipfel. Ralfs Frau, die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner, fehlt bei der Expedition zum Nanga Parbat. Die 43-Jährige muss ihre beim Training überbeanspruchten Gelenke kurieren. Ralf ist heute nach Pakistan gereist. Während seines kurzen Zwischenstopp zu Hause in Bühl habe ich mit ihm gesprochen:
Ralf, warum der Nanga Parbat?
Der Nanga Parbat ist für mich – und war auch lange Zeit für Gerlinde – der schönste Achttausender. Wann immer wir, nachdem die 14 Achttausender geschafft waren, gefragt wurden, an welchen dieser Berge wir vielleicht noch einmal zurückgehen wollten, haben wir unabhängig voneinander geantwortet: an den Nanga Parbat.
Und warum ausgerechnet im Winter?
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Prinz am Pol
Da sage noch einer, Blaublütige seien allesamt Warmduscher. Prinz Harry, Enkel der englischen Königin Elizabeth II., hat nach zwei Wochen im ewigen Eis den Südpol erreicht. Der 29-Jährige trotzte dabei Temperaturen von bis zu minus 35 Grad Celsius. „Mission erfolgreich beendet“, verkündete Harry stolz. Prinz Henry Charles Albert David of Wales, wie er mit vollem Namen heißt, gehörte zu einem Team der Hilfsorganisation „Walking With The Wounded“ (WWTW), die im Krieg verwundete Veteranen und deren Familien unterstützt.
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Erfolgschance 15 bis 20 Prozent
„Für mich ist das komplettes Neuland“, freut sich David Göttler auf seine bevorstehende Winterexpedition, die ihn nach Weihnachten zusammen mit den beiden Italienern Simone Moro und Emilio Previtali zum Achttausender Nanga Parbat in Pakistan führen wird. „Ich habe bis jetzt nur Wintererfahrung in den Alpen gesammelt, noch nie im Himalaya und Karakorum“, sagt der 35 Jahre alte Münchner, als ich ihn in dieser Woche in meiner Heimatstadt Köln treffe. Seit Simones Einladung Ende September, ihn zum Nanga Parbat zu begleiten, habe er sein Ausdauertraining erhöht, erzählt David. Die Kälte könne man nicht trainieren. „Es würde nichts bringen, wenn ich mich für drei Tage in den Kühlschrank setze.“
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Ines Papert: „Ein überwältigender Moment“
Auf diese Art Souvenir aus dem Himalaya hätte Ines Papert gerne verzichtet. „Die Heilung von Fingern und Zehen wird jetzt einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagt die 39-Jährige nach ihrer Heimkehr aus Nepal. Dort hat die deutsche Topkletterin – wie berichtet – am 13. November den 6719 Meter hohen Likhu Chuli I, auch Pig Pherado Shar genannt, erstbestiegen und mit ihrem Seilpartner Thomas Senf eine neue Route durch die Nordwand des Sechstausenders eröffnet. „Nie hätte ich geglaubt, dass sich Erfrierungen so schleichend abzeichnen können“, wundert sich Ines. „Wir haben zwar während unserer Begehung gefroren wie noch nie, aber auch erste Anzeichen sehr ernst genommen.“ Aus diesem Grund verzichtete Thomas im letzten Lager auf 6580 Metern auf den finalen Aufstieg zum greifbar nahen höchsten Punkt.
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Ines Papert ist die Erstbesteigerin
Und es war doch eine Erstbesteigung! Ines Papert hat am 13. November als erster Mensch ihren Fuß auf den 6718 Meter hohen Pig Pherado Shar in Nepal gesetzt, auch als Likhu Chuli I bekannt. Billi Bierling, Mitarbeiterin der legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley schreibt mir, dass die Französin Cécile Barbezat und Nawang Dorje Sherpa am 21. Oktober 1960 auf dem Gipfel des Likhu Chuli II gewesen seien, „was wiederum bedeutet, dass Ines die Erstbesteigerin des Likhu Chuli I ist.“ Das hätten Recherchen ihres französischen Kollegen Rodolphe Popier in der Bibliothek des französischen Alpenvereins (Club Alpin Français) ergeben.
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War Ines doch die Erste?
Na, das wird ja immer spannender. Möglicherweise hat Ines Papert doch als Erste den 6718 Meter hohen Pig Pherado Shar in Nepal bestiegen. Darauf macht mich Billi Bierling, Mitarbeiterin der Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley, aufmerksam. Der Berg ist auch unter dem Namen Likhu Chuli I bekannt. Ich hatte auf einen Vermerk in Hawleys Datenbank verwiesen, nach dem ein französisches Team unter Leitung von Robert Sandoz den Sechstausender nahe Namche Bazar bereits am 21. Oktober 1960 bestiegen habe. Billi schreibt, die Franzosen hätten vor 53 Jahren möglicherweise den Gipfel des 6659 Meter hohen Likhu Chuli II (Pig Pherago Nup) erreicht. Die Frage lautet also: Likhu Chuli I oder II? „ Die Datenbank sagt ‚I‘, aber wir glauben, dass es ein Fehler ist!“, so Billi. Die Recherche laufe. Wenn es Neuigkeiten aus Kathmandu gibt, werde ich euch natürlich informieren. Übrigens: Erstbesteigung hin oder her, die Leistung von Ines Papert verdient ohnehin unseren Applaus.
Ines Papert besteigt 6000er im Khumbu
Schöner Erfolg für Ines Papert. Die deutsche Spitzenkletterin eröffnete nach eigenen Angaben mit Thomas Senf im Alpinstil eine neue Route durch die Nordwand des 6718 Meter hohen Pig Pherado Shar. Der Berg liegt nahe Namche Bazaar, dem Hauptort des Khumbu-Gebiets unweit des Mount Everest. Den Gipfel erreichte die 39-Jährige allein. „Thomas blieb wegen beginnender Erfrierungen an den Zehen der höchste Punkt leider verwehrt“, schreibt Ines auf der Facebook-Seite eines ihrer Sponsoren. Es sei das „kälteste Abenteuer ihres Lebens“ gewesen.
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Überlebt, verarbeitet: Ein Jahr nach der Manaslu-Lawine
Am Jahrestag des Lawinenunglücks am Manaslu hatte Sebastian Haag „einen schweren Kater“. Er habe schlicht beim Wiesn-Anstich zum Auftakt des Münchner Oktoberfestes zu tief ins Glas geschaut, erzählt mir Sebastian beim IMS in Brixen. Mit den Ereignissen im Herbst 2012 am Manaslu habe das nichts zu tun gehabt. „Wir haben dort keine Freunde verloren. Ich habe andere Traumata erlebt, wo ich Menschen verloren habe, die ich sehr geliebt habe“, sagt der 34-Jährige. Zum Beispiel seinen Bruder. Der stürzte beim Bergsteigen in den Tod, als eine Wächte brach. „Die Erfahrung am Manaslu war dagegen – in Anführungszeichen – nur intensiv.“
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