Ruhe vor dem ersten Sturm
Gäbe es keine Ruhetage, man müsste sie erfinden. Der Mensch kann nicht immer Vollgas geben. Manchmal gehört er in die mentale Garage. Wir genießen die Muße am Lagerplatz in Kakkot auf 3300 Metern. Morgen stehen uns 1200 Meter im Aufstieg bevor. „Das wird einer der härtesten Tage auf dieser Expedition“, sagt Herbert. Denen, die über Husten oder Schnupfen klagen, legt der Expeditionsleiter ans Herz, sich auszukurieren. „Nur wer sich absolut fit fühlt und wirklich Lust dazu hat, sollte an unserer kleinen Akklimatisationswanderung teilnehmen.“
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Schwierige Leute
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Das gilt auch für die Bewohner von Kakkot, unserem letzten Lagerplatz in der Zivilisation, bevor wir in drei Etappen zum Putha-Hiunchuli-Basislager aufsteigen. „Die Leute sind sehr unangenehm“, erzählt Pemba. „Als ich das erste Mal hier war, haben sie mich ganz übel beschimpft.“ Bis Kakkot wurde unser Gepäck mit 36 Maultieren transportiert, von nun an übernehmen Träger und Yaks diese Arbeit. Die Bewohner des Dorfes beanspruchen darauf ein Monopol. Sie sehen nicht ein, dass die Regierung in Kathmandu Gebühren dafür nimmt, dass Bergsteiger den Putha Hiunchuli besteigen. Schließlich sei er doch ihr Berg.
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Mister Putha Hiunchuli
Möglicherweise ist er sogar der Rekordhalter an diesem Berg. Dreimal hat Pemba Jangbu schon den 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli bestiegen. Wenn das kein gutes Omen ist. Obwohl der Sherpa erst 25 Jahre alt ist, kann er bereits auf eine lange Karriere als Bergsteiger zurückblicken. Pemba durchlief die „klassische“ Sherpa-Laufbahn. Mit 13 Jahren heuerte er im Khumbu, der Region um den Mount Everest, als Träger an. Zwei Jahre später arbeitete er als Küchenjunge, dann als Hochträger und schließlich mit 17 Jahren als „Guide“, also als Bergführer.
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Ein Geheimtipp, der sich herumspricht
„Landungen in Juphal sind sehr knifflig“, sagt Kapitän Singh. Der Mann weiß, wovon er redet. Seit zehn Jahren fliegt er in die entlegenen Regionen Nepals. Der Propeller der einmotorigen Maschine, die zehn Passagieren Platz bietet, ist gerade zum Stillstand gekommen. Die Landepiste in Juphal liegt auf einem kleinen Plateau an einem Berghang, ist kurz und nicht asphaltiert. Als wir uns Juphal näherten, zappelte das Kleinflugzeug auf und ab. Nichts für schwache Nerven. „Es ist eine der schwierigsten Landungen in ganz Nepal“, findet Singh. Ich frage ihn, ob er nervös sei, wenn er auf die Sandpiste zusteuere. „Nein“, sagt der Pilot und lächelt. „Ich mache das schon so lange, das ist mein Job.“
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Der Vettel Nepals
Jedes Land hat seine Automobilsport-Talente. Der Sebastian Vettel Nepals steuerte unseren Kleinbus von Nepalgunj ins nördlich gelegene Surkhet. Der Bus war voll beladen. Innen drängten sich die Expeditionsteilnehmer mit ihren Rucksäcken, auf dem Dach stapelten sich die Packtaschen mit unserer Ausrüstung. Das hinderte den jungen Formel-Nepal-Piloten jedoch nicht daran, kräftig Gas zu geben. Wenn wir Straßensperren des Militärs passiert hatten, bekreuzigte sich der Fahrer, als suche er göttlichen Beistand für seine Raserei. Ich quetschte mich mit Expeditionsleiter Herbert auf der Vorderbank. Nicht angeschnallt, weil die Gurte fehlten. Ich kam mir vor, als befände ich mich in einem Formel-1-Computerspiel, bei dem ich die Geschwindigkeit unterschätze und die Zeche dafür in der nächsten Kurve bezahle.
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Aller Anfang ist schwer
Vier Jahre lang haben wir uns nicht mehr gesehen. In dieser Zeit ist viel im Leben des Mahesh Kumar Budha geschehen. Er ist zum vierten Mal Vater geworden – und sein eigener Chef. Im Frühjahr eröffnete er mit einem Partner eine Trekkingagentur. „Ich habe lange überlegt, ob ich in einen der Golfstaaten auswandern sollte, um meine Familie über Wasser zu halten“, erzählt Mahesh. Er entschied sich gegen den Abschied aus Nepal und für das Wagnis, ein eigenes Unternehmen zu gründen. „Ich bin seit 20 Jahren im Tourismusgeschäft. So viel Erfahrung sollte sich doch auszahlen.“
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Blickkontakt
Liebe auf den ersten Blick? Heute konnten wir das Ziel unserer Expedition erstmals in Augenschein nehmen. Eine Viertelstunde vor der Landung in Kathmandu öffnete sich über den Wolken der Blick auf die westlich in Nepal gelegenen Achttausender Dhaulagiri, Annapurna und Manaslu. Der Putha Hiunchuli gehört zum Dhaulagiri-Massiv und wird deshalb auch Dhaulagiri VII genannt. Joachim und ich diskutierten, welcher der Gipfel „unser Berg“ sei. Schnell wurden wir uns einig: Der mit dem großen schneebedeckten Gipfelplateau muss es sein. Mein Puls beschleunigte sich. Nicht, dass ich den Berg schon ins Herz geschlossen hätte. Es war vielmehr so, dass für mich in diesem Augenblick der Startschuss für die Expedition fiel. Die Zeit der Planungen und Vorbereitungen war abgehakt, das Abenteuer konnte beginnen.
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Verpatzte Generalprobe
Eigentlich kann unsere Expedition nur erfolgreich enden. Die Generalprobe ging nämlich gründlich daneben. Erst zerbrach meine Lesebrille und hinterließ mich blind wie einen Maulwurf. Gott sei Dank gibt es inzwischen sogenannte Lesehilfen. Ein solches Billig-Nasenfahrrad half mir, die Zeit bis zur Reparatur der Brille zu überbrücken. Anschließend verabschiedete sich der Teil eines Backenzahns, als ich voller Genuss in eine gebrannte Mandel biss. Mit einem schnellen „Werkstatt-Termin“ half mir die Zahnärztin meines Vertrauens aus der Patsche. Das dickste Ding aber wartete noch auf mich.
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Steigung und Risiko gemäßigt
Ich falle immer wieder darauf herein. „30 Prozent Steigung, wow!“, denke ich und male mir einen Winkel von 30 Grad aus. Quatsch! Eine 30-prozentige Steigung bedeutet, dass es auf 100 Metern in der Horizontale 30 Meter in die Höhe geht. Das entspricht aber nur einem Winkel von 16,7 Grad. Eine 100-prozentige Steigung heißt demzufolge 45 Grad aufwärts. Keine Angst, ihr seid nicht im Lexikon der populären Irrtümer gelandet. Ich will nur, dass ihr nachvollziehen könnt, wie steil oder nicht steil unsere Route auf den Putha Hiunchuli ist, die ich euch jetzt vorstellen werde.
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Das Expeditionsteam
Es hat etwas von Glücksspiel. Die Mitglieder einer kommerziellen Expedition wie unserer zum 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli in Nepal kennen sich in der Regel nicht. Lediglich der Wunsch, einen bestimmten Berg unter der Leitung eines erfahrenen Bergführers zu besteigen, hat sie zusammengewürfelt. Mitte August trafen wir uns einen Nachmittag lang in Bühl im Schwarzwald und „beschnupperten“ einander. Für mehr fehlte die Zeit. Wird diese Mannschaft auf Zeit zu einem echten Team zusammenwachsen? Eine spannende Frage, die erst in den kommenden Wochen am Berg beantwortet wird. Hier stelle ich euch kurz in alphabetischer Reihenfolge meine Mitstreiter vor.
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Herbert Wolf, der bergsteigende Polizist
Eine Polizeieinheit namens Cobra? Da denken die meisten wohl an eine Fernsehserie: die älteren Zuschauer an „Kobra, übernehmen Sie!“ aus den 1960er Jahren, die jüngeren an die Autobahn-Cops von „Alarm für Cobra 11“. In Österreich jedoch ist Cobra nicht Polizei-Fiktion, sondern Realität. Der Name steht für eine etwa 450 Mann starke Anti-Terroreinheit, vergleichbar mit der GSG 9 der Bundespolizei in Deutschland. „Ich habe dort eine intensive Freundschaft zwischen Kollegen erlebt, wie ich sie vorher nicht gekannt habe“, sagt Herbert Wolf. „Die drei Jahre möchte ich nicht missen.“ Doch das Kapitel Cobra ist abgeschlossen. Aus dem Verbrecherjäger ist ein Bergsammler geworden. Herbert leitet unsere Expedition zum Siebentausender Putha Hiunchuli, die heute in einer Woche beginnt.
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Putha-Hiunchuli-ABC
In den nächsten Wochen werde ich euch in meinem Blog mit nach Nepal nehmen, auf eine Expedition zum Siebentausender Putha-Hiunchuli. Ich versuche natürlich, meine Berichte so zu schreiben, dass auch Nicht-Bergsteiger sie verstehen können. Nobody is perfect. Möglicherweise rutsche ich doch ab und zu in die alpine Fachsprache ab. Dann könnt ihr in diesem Glossar nachsehen, was gemeint ist. Neben Erklärungen der Fachbegriffe findet ihr hier auch einige Informationen zu Land und Leuten.
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Zwei Kölsch zu viel
„Heute machen wir Intervall-Training“, schlägt Sybille Pfau vor. Die Sportwissenschaftlerin überwacht mein Training im Institut Höhenbalance in Frechen vor den Toren Kölns. Oje, denke ich. Gestern abend im Brauhaus habe ich mindestens zwei Kölsch mehr getrunken, als es sich in der Vorbereitungszeit auf eine Expedition eigentlich gehört. Ich stehe auf dem Laufband, eine Atemmaske vor Nase und Mund. Ein Kompressor entzieht der Luft diesmal so viel Sauerstoff, dass eine Höhe von 2800 Metern simuliert wird. 40 Minuten dauert die Trainingseinheit. Nach einer zehnminütigen Phase des Einlaufens soll ich regelmäßig zwischen schnellem und normalem Tempo wechseln, in den letzten zehn Minuten dann auslaufen. Das Band startet.
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Marcs Tipp
Er war, wo ich hin will. Marc Faber stand am 14. Oktober 2010 gegen 10 Uhr vormittags 7246 Meter hoch: auf dem Gipfel des Putha Hiunchuli. „Wenn das so weitergeht, wird er bald ein rheinischer Berg“, hatte mir Marc geschrieben, nachdem er den Putha Hiunchuli gegoogelt hatte und dabei auf meinen Blog gestoßen war.
Wir verabreden uns dort, wo sich Kölner gerne treffen: auf ein Kölsch (oder zwei oder drei …) in einem Brauhaus. Ich hoffe auf ein paar gute Tipps für meinen Trip nach Nepal, der in zwei Wochen beginnt.
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Achtung! Zahnblähung
Alle investieren derzeit in Gold, ich habe es verschenkt. Jedenfalls mein Zahngold. Vor jeder Expedition wird den Teilnehmern dringend geraten, noch einmal die Beißerchen kontrollieren zu lassen, um im Hochgebirge keine böse Überraschung zu erleben. Aerodontalgie (Höhenzahnschmerz) heißt das Phänomen, das schon so manchen Bergsteiger hat verzweifeln lassen. Unter Zahnkronen oder -füllungen können sich Gasblasen bilden, etwa durch Karies. Das Gas kann nicht heraus. Steigst du nun in Höhen über 3000 Meter auf, lässt der Außendruck stark nach. Das Gas im Zahn wittert seine Chance und bläht sich auf. Die Folge: üble Zahnschmerzen. Und meist kein Zahnarzt weit und breit. Da hilft selbst das alte Hausmittelchen, auf Gewürznelken herumzukauen, kaum.
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