Können Gesetzesänderungen Vorurteile aufheben?
Während einer Pause meines Deutschkurses vergangenen Samstagmorgen diskutierte ich mit den anderen Teilnehmerinnen, wie Berufe, die früher vorwiegend Männern vorbehalten waren, heute von Frauen ausgeübt werden. Ganz ohne Spannungen verläuft das nicht und macht umso mehr deutlich, wie dringend wir eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung brauchen (siehe dazu auch meinen vergangenen Eintrag).
Diese subtile Antipathie begegnet Frauen jeden Tag. Ein Beispiel: Mariana studiert Biologie. Sie erzählte mir, wie sie im Physikkurs einmal die Aufgabe bekam, einen Schaltkreis zu bauen. Der Lehrer kommentierte die Aufgabenstellung: „Mal sehen, ob die Frauen das hinkriegen.“ Er ging wie selbstverständlich davon aus, dass das nur „was für Männer“ sei.
Diese verzerrte Wahrnehmung zieht sich durch alle Generationen. Estefania beispielsweise studiert Lebensmitteltechnik. Auch sie erzählte mir von den Gruppenarbeiten in ihrem Seminar zu Elektronik und Magnetismus. Und wie ihre männlichen Kommilitonen sie ausschlossen, in der Annahme, dass sie das nicht kann.
„Einer meinte sogar zu mir, er verstehe gar nicht, warum Frauen überhaupt studieren – wenn doch ihre Ehemänner für sie sorgen können“, sagte sie. Solchen Argumenten sind Frauen in Argentinien tagtäglich ausgesetzt. Dabei handelt es sich sowohl um ein individuelles als auch um ein strukturelles Problem. Die pharmazeutische und biochemische Fakultät der Universität von Buenos Aires zum Beispiel hat nur eine einzige Damentoilette im gesamten Gebäude. In jeder Pause bildet sich davor lange Schlange.
Ähnliches gilt für die Berufsauswahl, die oft von den zu erwartenden Gehältern bestimmt wird. Vor 30 Jahren verdienten beispielsweise Ärzte in Argentinien sehr viel Geld. Heutzutage gilt das allerdings nicht mehr. „Und das ist der Grund, warum fast ausschließlich Frauen Medizin studieren”, kommentierte mein Vater während unseres Mittagessens.
„Was meinst Du damit?“ fragte ich. „Na, es scheint ja offensichtlich so zu sein, dass Männer sich für einen Beruf entscheiden, der sich auch auszahlt”, sagte meine Schwester. Was mich daran am meisten schockierte war, mit welcher Selbstverständlichkeit sie das sagte: Männer sollen das Geld nach Hause bringen; Frauen dürfen zwar studieren – aber deswegen noch lange nicht gut verdienen?
Das sind die täglichen Kämpfe, mit denen wir Frauen es in Argentinien aufnehmen müssen. Obwohl wir Zugang zu Bildung haben, müsste noch jede Menge getan werden, damit die Berufswelt gerechter wird.
Zum einen glaube ich, dass wir eine veränderte Gesetzgebung bräuchten, die Frauen und Männer bereits bei der Familiengründung gleichstellen. Nehmen wir zum Beispiel den Mutterschaftsurlaub: Heutzutage bekommen Schwangere nur einen sehr kurzen Zeitraum zugesprochen. Wie anders wäre es, wenn der Partner dabei berücksichtigt werden würde? Gesetzesänderungen würden nicht nur die Umstände ändern, sondern auch die Werte und Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft. Es ist ein weiter Weg, aber ich glaube, dass die ersten Schritte schon gemacht sind: Frauen können studieren – und kämpfen anschließend für eine Gleichberechtigung in der Berufswelt.