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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Nachdenken über meine früheren Mitschüler

Die Wege trennen sich: Was kommt jetzt?

In Russland hat der Sommer begonnen und jede Menge Schülerinnen und Schüler verabschieden sich mit dem Abitur in der Tasche von ihren Gymnasien. Viele nehmen jetzt ihr Studium auf.

Manchmal denke ich an meine früheren Mitschüler und frage mich, wo jeder für sich im Arbeitsleben erfolgreich eine Nische gefunden hat. Ich freue mich besonders über einen Freund, der an der Uni unserer Heimatstadt zwei Abschlüsse gemacht hat und der jetzt in einer größeren Stadt sogar noch ein drittes Fach studiert. Ein anderer Freund von mir hat im Bereich Medien Karriere gemacht und berichtet in Russland und im Ausland über unterschiedlichste Ereignisse. Aber ich erinnere mich auch an ein paar Jungs, die sich gegen ein Studium und für eine Berufsausbildung entschieden haben. Ich frage mich, wie es ihnen heute geht und was sie so machen. Natürlich hatte jeder von uns seine eigene Persönlichkeit, aber weil ja  in der Schule der Unterricht für alle identisch war, fielen Unterschiede nicht so auf. Die Unterschiede zeigten sich eher in den Noten und weniger im Verhalten. Trotzdem können Eigenheiten eine größere Bedeutung haben, als man denkt.

Wer sich für eine Berufsausbildung oder die Ausbildung an einem Institut entschieden hat, hatte dabei meist im Hinterkopf, dass hier leichter ein Abschluss zu erreichen ist. Und vielen reichte das auch.

Bis ans Lebensende in einer Fabrik arbeiten?

Vielleicht hatten sie aber auch Noten, die nicht gut genug waren, um ein Stipendium für ein Universitätsstudium zu bekommen. Dann wäre es natürlich schwer, die vier bis fünf Jahre der Universitätsausbildung zu finanzieren – und diese Belastung hätte Folgen für die Zukunft. In einem früheren Eintrag habe ich ja bereits erwähnt, dass das System der Berufsschulen seit den 1990er Jahren demontiert wurde. Es wieder aufzubauen wird Jahre dauern. Diejenigen, die sich trotzdem für eine Berufsausbildung entschieden haben, müssen sich auf einen schweren Weg einstellen. Wenn sie im Leben etwas erreichen wollen, dann müssen sie Qualifikationen nachweisen, anerkannte Spezialisten werden und dann eine kleine Firma gründen und selbständig arbeiten.

Viele, die eine Berufsausbildung beginnen, sind allerdings wenig motiviert, mehr zu erreichen. Aus ihnen werden dann gering qualifizierte Arbeiter oder „Rädchen im Getriebe“ eines Büroalltags – ohne erfolgversprechende Zukunftsaussichten. Die Gehälter reichen dann für Weiterbildungsmaßnahmen nicht aus. Deshalb erreichen viele Männer nicht einmal das Rentenalter von 60 Jahren, sie sterben schon vorher. Ich denke, mit psychologischer Unterstützung  könnte diese Situation verbessert werden. Aber es wird wohl dauern, bis ein solches Programm angeboten wird.

Obwohl die höhere Bildung als Fetisch gilt, kann ein qualifizierter Facharbeiter mehr verdienen als ein Angestellter – wenngleich gängige Vorurteile vom Gegenteil ausgehen. Je eher die Krise der Berufsausbildung überwunden wird, desto besser für unsere Wirtschaft, aber auch für den Arbeitsmarkt und den Bildungssektor.

Datum

Montag, 04.06.2012 | 13:50

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