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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Das Ausland ist nicht „Das Traumland“

Die meisten begabten jungen Leute zieht es in die großen Städte

Je näher meine Abschlussprüfung rückt, desto mehr Gedanken mache ich mir über die Bildung in meinem Heimatland. Ich muss sagen, ich bin doch reichlich beunruhigt. Während der dreieinhalb Jahre an meiner zweiten Universität habe ich mich mit Dutzenden Studenten über Zukunftsperspektiven unterhalten und mir angehört, wie sie die Situation gegenwärtig einschätzen. Wenn ich das dann noch mit den Erfahrungen abgleiche, die ich an der Uni gemacht habe, an der ich zuerst studiert habe, kann ich nur eines sagen: Viele Studenten, die in großen Städten und an namhaften russischen Universitäten studiert haben, bewerben sich bei internationalen Firmen und verlassen das Land. Die wenigsten haben beim Abschied hinzugefügt: „…und komme dann mit Auslandserfahrung zurück.“

An den regionalen Universitäten herrscht unter meinen Kommilitonen eher Unsicherheit, wenn sie über ihre Zukunft nachdenken. Sie überlegen, ein zweites Fach an einer Großstadt-Uni zu studieren, weil sie glauben – so wie Emmy es schreibt –, dass ein Abschluss nicht reicht, um einen guten Job zu finden. Und danach ist nicht auszuschließen, dass auch sie das Land verlassen werden.

Russland ist das flächengrößte Land der Erde – und doch ist das Wissen seiner jungen Generation fixiert und gebündelt nur auf wenigen Flecken der Landkarte vorzufinden. Was ist mit dem Rest des Landes? Viele unserer Universitäten werden unterschätzt, obwohl ihre Lehrpläne an zeitgerechte Standards angepasst sind. Aber es mangelt an jungen Lehrkräften, die in der Lage sind, moderne technische Geräte zu bedienen. Solange eine Region nicht bestmöglich ausgestattet wird, wandert ihre Jugend dorthin ab, wo ihr Besseres geboten wird.

Die Arbeit in einem Kunstmuseum ist weniger reizvoll als die Arbeit für eine Öl-Gesellschaft

Ich habe mich oft gefragt, ob unser Bildungsminister ausreichend qualifiziert ist. Hat er diesen Trend bemerkt? Russland hat so viel zu bieten, das seine Bürger in großem Ausmaß motivieren könnte, zur Entwicklung des Landes beizutragen, den Lebensstandard zu verbessern und die Wirtschaft zu stärken. Unsere Gesellschaft ist viel zu abhängig von Öl, Holz und Gasvorkommen. Durch seine großen Vorräte erzielt das Land (es gehört zu den Top-10-Ländern in Bezug auf seine Öl-Reserven, 2009; und zu den Top-5 in Bezug auf seine Gas-Reserven, 2010) hierüber den überwiegenden Teil seines Bruttoinlandsprodukts. Leicht verdientes Geld bewirkt oft nicht Gutes, weil es korrumpiert. Was hat es uns gebracht?

  • Eine beherrschende Industrie, die ein gutes Management braucht und die gegebenenfalls auch Marktbedingungen diktieren kann. (Regionen im Norden und im Osten haben Ölvorkommen als einzige Grundlage aller Arbeitsplätze.  Eine Krise würde sich besonders auf die vielen kleinen Städte auswirken, die ausschließlich vom Öl leben.)
  • Viele Bewerbungen auf höhere Posten in der Wirtschaft oder auf Stellen in der Regierung, da es hier vergleichbar einfach ist, Karriere  zu machen. (Wobei dies nichts mit der Flexibilität zu tun hat, die Kathrin beschrieben hat.)
  • Eine große Zahl an Gemeindeverwaltungen, die sich nicht ausreichend um die Entwicklung ihrer Region bemühen.

Dementsprechend wird viel zu viel Geld ins Öl gesteckt, aber nicht in Stipendien investiert, in die Wissenschaft oder in Kleinunternehmen. (Ich habe den Report Ease of Doing Business gelesen und war von unserem Abschneiden enttäuscht.) Die Bürokratie, die noch aus der zurückliegenden Epoche stammt, verzögert die Entwicklung des Landes und wird zu einer echten Last. Das ist untypisch für einen demokratischen Staat, aber in autoritären Staaten bestens bekannt.

Allerdings stimmt es mich optimistisch, dass die junge Generation diese Situation nicht einfach hinnimmt. Die Zeichen einer Zivilgesellschaft sind im heutigen Russland deutlicher zu sehen als noch vor zehn Jahren. Die unzähligen Möglichkeiten und die große Fläche dieses Landes vor Augen, steht für mich fest, dass wir „Das Traumland“ nicht im Ausland suchen, sondern es hier aufbauen sollten.

Datum

Sonntag, 17.06.2012 | 10:00

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